Jahresrückblick 2023

Das war 2023

2 DAS WAR 2023 ABENDZEITUNG MITTWOCH, 27. DEZEMBER 2023 WWW.AZ-MUENCHEN.DE JAN FEB OKT NOV MRZ T2023 B APR MAI JUN AUG SEP A JUL DEZ In Kroatien wird jetzt mit dem Euro anstelle der Landeswährung Kuna gezahlt. Kroatien ist damit das 20. Land in der Eurozone. Alle Fotos: dpa 1. Januar Rekordstart für die Memoiren von Prinz Harry: Von der Autobiografie „Spare“ werden am ersten Tag über 1,4 Millionen Exemplare verkauft. 10. Januar Die deutschen Hockey-Herren sind erstmals seit 17 Jahren wieder Weltmeister. Das Team besiegt Titelverteidiger Belgien mit 5:4. 29. Januar Die heftig kritisierte Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) tritt zurück. Nachfolger wird Boris Pistorius (SPD). 16. Januar Einkaufen geht extrem ins Geld: Lebensmittel- und Energiepreise trieben die Jahresinflation 2022 auf 7,9 Prozent, das Leben hat sich so stark verteuert wie nie seit Gründung der Bundesrepublik. 3. Januar Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagt der Ukraine 14 Leopard-2-Panzer aus Bundeswehrbeständen zu. Die Lieferung war lange umstritten. 25. Januar MEINUNG Felix Müller Der Lokal-Chef über das Münchner Jahr 2023. felix.mueller@abendzeitung.de Ein bisserl Demut tut gut ‚‚ Immer voller, immer teurer, immer anstrengender: Ja, aus dem Münchner Alltag heraus gedacht, geht immer noch vieles in die falsche Richtung. Dass Verwaltung und Verkehrsbetriebe hilflos auf die Schneemassen Anfang Dezember reagierten, war da nur ein symbolisches Bild dieses Jahres dafür, dass in der reichen Stadt die Infrastruktur total auf Kante genäht ist. Das ist ein großes Problem. Darauf, dass es ernster genommen wird, drängt auch die AZ immer wieder. Und doch bietet sich am Ende dieses langen Jahres wieder ein bisserl Demut und Dankbarkeit an, in München zu leben. Man denke nur zurück an die letzten Jahre – und blicke, vor allem, hinaus in die Welt. Die Millionenstadt mit dem höchsten Migrantenanteil hat weiter – verhältnismäßig – sehr wenige AfD-Wähler. In der vermeintlich so satten Stadt engagieren sich viele, demonstrieren, helfen in Vereinen und Nachbarschaften, spenden, wenn es nötig ist. Hier können Bürgermeister wechseln ohne Schlammschlacht. Überhaupt: Der Ton zwischen den Parteien, in den öffentlichen Debatten ist sachlicher, angemessener als anderswo – in Berlin, aber auch bei den geifernden Spitzen der Staatsregierung. Und das Lebensgefühl? Mei, war das ein Biergarten-Sommer, war das eine Wiesn. Endgültig Corona-Sorgen-frei haben sich die Münchner ihre Stadt zurückgeholt. Und vielleicht noch ein bisserl mehr genossen. Weil nach der Pandemie und in Anbetracht von Krieg und Krisen noch klarer ist, wie leicht das Münchner Leben sein kann. Und wie dankbar man dafür sein darf. „Toll, endlich mal ein Junger“ AZ: Herr Krause, Sie wurden Zweiter Bürgermeister, weil Katrin Habenschaden überraschend hinschmiss. Wie war es, zum ersten Mal in Ihrem großen Büro zu sitzen mit Blick auf den Marienplatz? DOMINIK KRAUSE: Es wäre noch schöner mit mehr Vorlauf gewesen. Aber grundsätzlich ist es eine große Ehre, ein Traumjob in der Kommunalpolitik. Wie verändert es das Leben, mit 33 so viel Macht zu haben? Was sich sehr verändert hat: Ich werde häufiger in der U-Bahn angesprochen, meistens sehr, sehr nett. Innerhalb des Rathauses ist es keine so deutliche Veränderung. Ich bin hier schon seit zehn Jahren. Da war es ein Weiterarbeiten. Ist das Feierabendbier mit Freunden noch drin? Ich versuche, auch mal Zeit dafür zu haben. Aber es kommt seltener vor als früher. Vor was hatten Sie vor Amtsantritt am meisten Sorge? Wir stehen vor großen Herausforderungen in der Stadt. Klar denkt man da darüber nach, wenn man selbst noch jünger ist, ob das passt. Aber gleichzeitig leben in unserer Stadt auch wahnsinnig viele junge Menschen, die genauso vertreten sein wollen – im Stadtrat und in der Stadtspitze. Und nachdem ich jetzt schon seit fast zehn Jahren im Stadtrat bin, gleiche ich das jüngere Lebensalter vielleicht mit der politischen Erfahrung aus. Wie erleben Sie es jetzt? Wenn mich Leute in der U-Bahn ansprechen, sagt ein Großteil: Ah toll, endlich mal ein Junger. Der SPD-OB Dieter Reiter hat sich erst nach Ihrer Wahl geäußert. Hat Sie das überrascht? Mit dem OB komme ich gut aus. Wir haben als Koalition seit Oktober einige große Projekte auf den Weg gebracht – von der Gasteig-Modernisierung über den Mietenstopp für städtische Wohnungen bis zum Sanierungspaket für Wohngebäude – was ein riesen Erfolg für den Klimaschutz ist. Voraussetzung, dass Sie das Amt übernehmen durften, war für die Grünen, dass Sie sich vorstellen können, 2026 als OB zu kandidieren. Was wollen Sie anders machen als Dieter Reiter? Wir wollen als Koalition gute Politik für München machen und nicht jetzt schon über den Wahlkampf sinnieren. Die Fraktion wollte als Bürgermeister eine Person, die grundsätzlich bereit ist für eine Kandidatur. Das ist immer noch so. Aber wir werden in der Partei erst nächstes Jahr darüber sprechen. Im Koalitionsvertrag versprachen Grüne und SPD, fünf TramLinien zu bauen und acht zu prüfen. Halbzeit ist vorbei und es läuft für eine der Bau an. Haben Sie das Ganze unterschätzt? Wir verfolgen alle Projekte weiter. Die Prozesse dauern manchmal einfach länger, als wir uns das wünschen. Es war klar, dass wir nicht nach drei Jahren alles umgesetzt haben. Für die Tram-Westtangente ist ein Baubeginn absehbar. Gerade haben wir die Tram-Nordtangente durch den Englischen Garten auf den Weg gebracht. Da steht noch die Entscheidung des Freistaates aus. Aber ich bin relativ zuversichtlich, dass er das genehmigen wird. Der Finanzminister klang in der AZ nicht so optimistisch. Es gibt eine Zusage vom damaligen Ministerpräsidenten, Herrn Seehofer. Aber der ist in Rente. Ich hoffe, Herr Söder wird nicht aus rein parteipolitischem Kalkül das Wort seines Vorgängers brechen. Es gibt seit der Zusage Seehofers keine neue Situation. Im Gegenteil. Die Notwendigkeit für einen besseren ÖPNV ist eher größer geworden. Es ist doch auch eine Frage von Ressourcen. Die MVG rechnet mit Milliarden allein für den Unterhalt des ÖPNV und arbeitet selbst an einer Streichliste. Keine andere Kommune in Deutschland investiert so viel in den ÖPNV wie München. Das wird so bleiben, selbst wenn einige Projekte ein wenig geschoben werden. Wir machen die Verkehrswende nicht aus Jux und Tollerei, sondern weil München täglich im Stau versinkt. Ja, der Ausbau von U-Bahn, Tram und Bus kostet sehr viel Geld, ist aber elementar für die Zukunft dieser Stadt. In Hessen fordert der GrüneMobilitätschef, dass Firmen eine Steuer zahlen, um den ÖPNV zu finanzieren. Auch für München denkbar? Die Unternehmen zahlen schon Steuern. Ich würde eher erhoffen, dass der Bund die Steuergelder sinnvoll nutzt, nicht für klimaschädliche Subventionen, sondern für ÖPNV-Projekte. Wie enttäuscht sind Sie über Ihre Parteikollegen in Berlin? Ich will kein Ampel-Bashing betreiben, aber wenn es um Verkehrspolitik geht, ist sicher noch Luft nach oben. In den entscheidenden Ministerien Verkehr und Finanzen sitzen übrigens nicht die Grünen. Auch sonst stockt die Verkehrswende. Die Fußgängerzonen im Tal und in der Weißenburgerstraße waren für dieses Jahr versprochen. Enttäuscht? Die Verkehrswende stockt nicht, im Gegenteil. Natürlich wünschen wir uns oft, dass Dinge schneller gehen. Aber manchmal ist es nicht schlecht, wenn man sich Zeit nimmt, gerade wenn von Anwohnern Bedenken kommen. Anscheinend wollen die Anwohner nicht, dass Palettenmöbel auf den Parkplätzen stehen. Warum zwingen die Grünen den Leuten ihren Lebensstil auf? Die Frage, wie wir mit öffentlichem Raum umgehen, war entscheidend bei der letzten Kommunalwahl. Da wünschte sich die Mehrheit, dass wir die Aufenthaltsqualität verbessern. Insofern zwingen wir niemandem etwas auf, sondern setzen um, was die Münchner mehrheitlich wollen. Das klappt manchmal schlechter und manchmal besser. Ein Beispiel, wo das hervorragend gelungen ist: die Schanigärten. Da gab es vorher auch viele Vorbehalte. Beim Gasteig geht seit Jahren nichts voran, es wird nur teurer. War es ein Fehler, auf einen Investor zu setzen? Wir haben gerade zwei fette Krisen hinter uns. Beim Gasteig gab es im Vorfeld Marktsondierungen. Da haben sich mehrere Investoren gemeldet, die bauen wollten. Dann kam der UkraineKrieg und die Situation war eine völlig andere. Statt einer Sparlösung will die Stadt eine teure Generalsanierung. Auch der Freistaat plant an einem Konzertsaal. Wie viele Bühnen braucht München? Wir können ja nur den städtischen Teil, also den Gasteig, betrachten. Da hat man festgestellt, dass eine Grundsanierung 80 bis 85 Prozent einer Generalsanierung kosten würde – das wäre eine teure Sparlösung. Was der Freistaat macht, ist Sache des Freistaates. Wann rechnen Sie damit, dass die Münchner in ihrem renovierten Gasteig Konzerte hören? Ich fürchte, dieses Jahrzehnt könnte es eng werden. Was steht 2024 ganz oben auf Ihrer Prioritätenliste? Ganz zentral ist, dass die Stadt weiterhin für alle da sein wird, besonders für diejenigen, die die Krisen finanziell schwer erwischt haben. Die alles bestimmenden Themen sind natürlich weiterhin der Wohnungsbau, der Ausbau des ÖPNV und Klimaschutz – und der Erhalt der gebeutelten Wirtschaft, insbesondere des Mittelstandes. Außerdem finde ich es spannend, in eigentlich allen Bereichen neue Möglichkeiten der Digitalisierung mitzudenken, wie zum Beispiel durch neue Technik den Verkehr flüssiger zu machen. Ampelschaltungen, die auf Verkehrsflüsse reagieren oder Schnittstellen für Navigationssysteme, die dann anzeigen, mit welcher Geschwindigkeit man eine Grüne Welle mitnehmen kann. Das würde uns vielleicht von dem Titel „Stauhauptstadt Nummer eins“ wegbringen. Und die Grünen weg vom Titel „Autohasser Nummer 1“? Diese alte Kamelle kann ich mittlerweile nicht mehr hören. Autos, zunehmend E-Autos, werden weiterhin Teil des Mobilitätsmixes sein, denn es gibt nun mal Menschen, die darauf angewiesen sind. Aber in einer dichter werdenden Stadt kann nun mal nicht jeder mit dem Auto fahren. Das ist kein Hass, sondern einfach die Realität. Was können die Münchner nächstes Jahr von Ihnen als Bürgermeister erwarten? Im nächsten Jahr will ich rausgehen aus dem Rathaus. Wir haben ja als Stadt bereits Formate wie Bürgerversammlungen, aber mich treibt etwas anderes um: Wenn wir als Gesellschaft wieder mehr zusammenwachsen wollen, müssen wir auch wieder mehr miteinander sprechen und uns nicht auf Social Media Kommentare um die Ohren hauen. Insbesondere auch unter denjenigen, die gegenteilige Meinungen haben – da möchte ich gerne einen Anfang machen. Interview: Christina Hertel Mit 33 wird der Grüne Dominik Krause plötzlich Zweiter Bürgermeister. Was sich seither für ihn verändert hat – und was seine Pläne für 2024 sind, erzählt er im AZ-Interview DominikKrause (33) ist der neue Zweite Bürgermeister Münchens. Und 2026auch OB-Kandidat? Foto: Hannes Magerstädt AZ-INTERVIEW mit Dominik Krause Der 33-Jährige sitzt seit zehn Jahren für die Grünen im Münchner Stadtrat, zuletzt war er Fraktionschef. 2023 kam der überraschende Karrieresprung zum Zweiten Bürgermeister. ‚‚ Ich will mit denen reden, die andere ‘‘ Meinungen haben

FLASCHEN VINO FRIZZANTE GESCHENKT AB EINKAUFSWERT 50€ 150.000 +ZUSÄTZLICH15 TE 0 V) RABATT Kundenkarten JUBILÄUMS T JUBILÄUMSSTART 10–20UHR 10–20UHR 10–20UHR 10–20UHR 20 SAMSTAG 30. Dezember 20 FREITAG 29. Dezember 10 20 ONNERSTAG D 28. Dezember 10 20 MITTWOCH 27. Dezember Gilt auf alle mit „Aktionspreis“ gekennzeichneten Artikel mit Höffner Kundenkarte SieheA) HRE TRAD I T I ON JAH MÖBELT 1874 – 2024 J) DAS JAHRHUNDERT JUBILÄUM A) Höffner gewährt Ihnen gegen Vorlage Ihrer Kundenkarte bei Ihrem Einkauf im Möbelhaus in allen Abteilungen auf alle mit „Aktionspreis“ gekennzeichneten Artikel einen auf 44% erhöhten Kundenkartenrabatt auf den am Artikel ausgezeichneten „Preis ohne Kundenkarte“. Alle in Anzeigen und Prospekten angegebenen Preise sind Endpreise, die etwaige Rabatte und Aktionsvorteile bereits beinhalten. Keine Barauszahlung. Insgesamt nehmen mindestens 20.000 Artikel an der Aktion teil. Gültig für Neukäufe. Gültig bis 16.01.2024. Nach Ende der Aktion wieder geringerer Kundenkartenrabatt. J) 1874 startete Rudolf Höffner am Veteranenberg in Berlin mit einer Tischlerei. V) Bei Ihrem Einkauf im Möbelhaus ab 50 € Einkaufswert, nach Abzug aller Rabatte, schenkt Ihnen Höffner eine Flasche Vino Frizzante. Pro Haushalt nur eine Flasche Vino Frizzante. Nur solange der Vorrat reicht. Mindestalter 16 Jahre. Keine Barauszahlung. Gültig für Neukäufe. Gültig bis 16.01.2024. Höffner Möbelgesellschaft GmbH & Co. KG • Ludwig-Koch-Str. 3 • 81249 München Tel. 089/857934-0 • www.hoeffner.de • Öffnungszeiten: Mo-Sa von 10-19 Uhr I N ABTEILUNGEN ALLEN A)

4 DAS WAR 2023 ABENDZEITUNG MITTWOCH, 27. DEZEMBER 2023 WWW.AZ-MUENCHEN.DE 5 DAS WAR 2023 ABENDZEITUNG MITTWOCH, 27. DEZEMBER 2023 WWW.AZ-MUENCHEN.DE JAN FEB OKT DEZ NOV MRZ 2023 APR MAI JUN JUL I AUG N SEP 0 3 In deutschen Bussen und Bahnen endet die Maskenpflicht und damit eine der am längsten durchgehend geltenden Corona-Maßnahmen. 2. Februar Pop-Superstar Harry Styles („As It Was“) räumt bei den Brit Awards ab. Sein Album „Harry’s House“ wird Album des Jahres. 11. Februar Der Zyklon „Gabrielle“ verwüstet auf der Nordinsel Neuseelands Häuser, Straßen und Brücken. In den Wassermassen sterben acht Menschen. 13. Februar Fast ein Jahr nach Beginn des russischen Angriffskriegs besucht Joe Biden unangekündigt und erstmals als US-Präsident die Ukraine. 20. Januar Bei einem Bootsunglück mit Migranten an Süditaliens Küste kommen mindestens 86 Menschen ums Leben. Ihr Fischkutter war auseinandergebrochen. 26. Februar Bei einem Zugunglück kommen in Griechenland 57 Menschen ums Leben. Ein Güterzug war bei Larissa mit einem Personenzug zusammengestoßen. 28. Februar In Frankreich stellen sich 1,3 Millionen Menschen der Rentenreform entgegen – das Eintrittsalter soll von 62 auf 64 Jahre angehoben werden. 7. März Deutschlands letzter großer Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof verkündet, dass 52 seiner noch verbliebenen 129 Warenhäuser geschlossen werden. 13. März Der Internationale Strafgerichtshof erlässt wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen Haftbefehl gegen Wladimir Putin. 17. März Der britische König Charles III. und seine Frau Camilla treffen zu einem Staatsbesuch in Deutschland ein – noch vor seiner Krönung am 6. Mai. 29. März Nach enttäuschenden Ergebnissen trennt sich der FC Bayern von Trainer Julian Nagelsmann. Nachfolger wird Thomas Tuchel. 24. März In Hamburg erschießt ein 35-Jähriger nach einer Gemeindeversammlung der Zeugen Jehovas sieben Menschen, darunter ein ungeborenes Kind. Danach tötet er sich selbst. 9. März IN MIT RAD ZUR ARBEIT: 2023 treten die Münchner werktags so viel in die Pedale wie nie. OUT S-BAHN-WARTEREI: Das nervt – und lockt zurück zum eigenen Auto. ZAHL 761 349 Autos sind Anfang 2023 in München gemeldet, 142 000 mehr als 2011. Damit ist ein neuer Höchststand erreicht. HERR HIRNBEISS Zeichnung: Fr. Bilek „A bisserl ruhiger kannts scho amoi wern. . .“ MONACO Omas Mindset Rumms (nicht zu verwechseln mit Doppelwumms) – und schon ist wieder ein Jahr vorbei. Für die Abendzeitung war freilich das Jubiläum der Höhepunkt. 75 Jahre! Huch, so alt schon? Ich halte es da wie meine Oma. Nicht, dass ich der AZ einen Rollator verordne. Es geht um das Mindset – was meine Oma (89) jetzt eventuell nicht versteht, weil sie in ihrem Leben zwar schon viel mitgemacht hat, aber eben keinen Englisch-Unterricht. Also wie man über etwas denkt, verstehst, Oma? In dem Fall übers Alter. Im März wird sie 90. Seit Wochen freut sie sich schon auf die Party, die sie dann feiern will. Nach vorn schauen, auf besondere Momente fokussieren, auch mal sich selbst zelebrieren – ein nettes Mindset. Das wünsche ich der AZ auch: Dass wir mit 90 noch richtig Lust aufs Schreiben, Informieren und, ja, auch aufs Feiern haben. Und unsere Leser freilich aufs Schmökern. Bestenfalls hält meine Oma auch noch so lange durch. Das wäre eine Story wert. Rosemarie Vielreicher Kreative Nutzung Etliche Gebäude in der Stadt stehen leer, auch krisenbedingt. Aber aus viel Raum entwickeln Zwischennutzungsmacher auch 2023 neue Ideen für Kunst, Kultur und Feste. Der leere Gasteig wird zur „Fat Cat“, auf deren Dachterrasse feiern die Münchner im Sommer mit Blick über die Stadt. In Laim wird aus einem Restaurant die quirlige „Perle“, am Hanns-Seidel-Platz startet das „Neuperland“. Die spektakulärste Idee aber scheitert. Das „Lovecraft“ im ehemaligen Galeria am Stachus darf genau einen Tag öffnen. Dann ist Schluss. Wie das weitergeht, wird man nächstes Jahr sehen. Die Zwischennutzung „Lovecraft“ ist gescheitert.Hannes Magerstädt München: Beben am Bau Dreizehn lange Jahre können Bauträger und BauInvestoren in München fette Gewinne einstreichen. Wohnungen und Häuser gehen weg wie warme Semmeln, obwohl die Preise für Immobilien ständig steigen. Die Nachfrage bleibt groß, da Kredite für sehr niedrige Zinsen zu haben sind. Das ist 2023 vorbei. Nach dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine vervierfacht die EZB die Hypothekenzinsen. Zudem steigen die Kosten für Energie, BaumateriaSchließlich muss der bekannte Münchner Projektentwickler Euroboden (Hochbunker, Derzbachhof) Insolvenz anmelden. Am Ende des Krisenjahres im Baugewerbe gibt es dann noch ein regelrechtes Beben: Die Signa Holding des Tiroler Immobilieninvestors René Benko meldet Insolvenz an, außerdem Sport Scheck und die Immobiliensparte Prime Selection. Zu Letzterer gehören die Alte Akademie, Oberpollinger und der frühere Hertie am Bahnhof. Wann oder wie es nun weitergeht, kann derzeit niemand sagen. Ungewiss ist auch die Zukunft der Galeria Mitarbeiter. Die Warenhauskette ist ebenfalls ein Teil der Signa. Nina Job Hier sollen Wohnungen entstehen, aber es tut sich gar nichts. Nur der Pegel des Wassers, das sich in der Grube sammelt, hebt und senkt sich je nach Wetterlage. Dem Immobilienentwickler M-Concept fehlen Käufer, damit er überhaupt einen Bankkredit bekommt, um loslegen zukönnen. Auch bei einem anderen Projekt von M-Concept hakt es: Im Paseo Carré an der Landsberger Straße Ecke Offenbachstraße können Käufer, die sehr viel Geld bezahlt haben, nicht termingerecht einziehen. Still steht auch eine riesige Baustelle am Nordbad. Dort, wo einst der Karstadt stand, soll ein neues Geschäftshaus entstehen. Einen Rückzieher macht der Investor Sedlmayr Grund. Er gibt im Juli bekannt, dass er vorerst nur 254 statt 1066 Wohnungen auf dem Grund der ehemaligen Bayernkaserne baut. lien und Handwerkerleistungen. Potenzielle Käufer halten sich nun zurück, Bauen ist deutlich teurer geworden. Die Krise erwischt auch München 2023 voll. Anfang des Jahres gehen die ersten Bauträger pleite. Andere versetzen sich in einen Passiv-Modus und warten erst einmal ab. Die Zahl der Bauanträge bricht um 31 Prozent im Vergleich zum Vorjahr ein. Und nicht mal die Hälfte derjenigen, die 2023 eine Genehmigung bekommen, beginnen zu bauen. Von Bauboom keine Spur mehr. Eine Folge: Immer mehr Münchner balgen sich um freigewordene Mietwohnungen. Die Baukrise ist mittlerweile an vielen Ecken in der Stadt sichtbar: Grundstücke liegen brach, Baustellen stehen still. Ein Beispiel ist die Baugrube an der Alramstraße, das „Sendlinger Loch“. Pleiten, Bauruinen, Brachen: 2023 ist ein rabenschwarzes Jahr für alle Investoren, die bauen wollen. Am Ende trifft es einen ganz Großen Das Sendlinger Loch läuft immer wieder voll Wasser. Bauträger pleite – 31 Wohnungen zur Hälfte fertig. Am Nordbad, wo früher ein Karstadt stand, gibt es ebenfalls Probleme. Seit Monaten wird nicht weitergebaut. Fotos: iko, Loeper, job Im November hat es einen der größten Immobilienentwickler Europas zerlegt: die Signa von René Benko. Die Arbeit auf allen Baustellen, auch an der Alten Akademie in München, wurde eingestellt. Imago/F. Hoermann, S. Simon BRAUCHT’S DES? MUC – das neue Kennzeichen Mitten im Sommer, etwa zum Halbjahr, gab es das erste Gerücht. München solle ein neues zweites Kennzeichen-Kürzel bekommen, neben dem „M“. Grund: Die Kombinationen mit dem bisherigen M-Kennzeichen gingen langsam, aber sicher zu Ende, so das KVR. Dann ging es schnell. Am 1. Dezember, als das Schneechaos in München langsam einsetzte, bekam der erste Münchner sein MUC-Schild in der Zulassungsstelle Eichstätter Straße – mit der Geburtstagskombination 911. inc So schaut es aus, das neue MUC-Kennzeichen. dpa Zoff um Verlust vieler Parkplätze Aus 41 Parkplätzen in der Kolumbusstraße werden eine Wiese, Sandkästen und Freiflächen. Das bringt viel Streit. cm Parkplätze zurück wollen, laufen Sturm. In der Straße fliegen Eier, Befürworter und erbitterte Gegner beschimpfen sich gegenseitig. Selbst OB Dieter Reiter (SPD) lästert: „Ideologisch Parkplätze zu streichen, damit sie weg sind, hilft niemandem“, teilt er im Juli gegen den grünen Koalitionspartner aus. Und rügt auch die eigenen Genossen, die mitgestimmt haben, dass an der Elisenstraße auf 500 Metern ein „Luxusradweg“ für 13,8 Millionen Euro gebaut werden soll – auch auf Kosten von 75 Parkplätzen. Eine Anwohner-Klage gegen das Kolumbusstraßenprojekt landet vorm Verwaltungsgericht. Der Verkehrsversuch, der bis 31. Oktober hätte laufen sollen, wird eine Woche früher vorzeitig abgebrochen. Und auch der Luxusradweg kommt noch mal auf den Prüfstand. Grün-Rot beschließt – auch mangels Geld –, künftig einfacher und günstiger zu bauen. Beim Umsetzen der zwei Bürgerentscheide zum Radwegausbau (aus 2019) kommt die Stadt ohnehin nur schleppend voran. Von 65 Wunsch-Strecken werden 2023 nur zwei Abschnitte fertig und zwei sind begonnen. Keine Glanz-Bilanz. Irene Kleber Autos raus aus der Innenstadt, dafür mehr Flanierplatz für Fußgänger und breitere Radwege – die grün-rote Verkehrswende bringt auch 2023 viel Streit in die Stadt. Der eskaliert am TUM-Forschungsprojekt aqt (autoreduziertes Quartier) in der Au und Obergiesing – und erregt deutschlandweit Aufsehen. Denn Mitte Juni streicht die Stadt dafür in der Kolumbus- und Landlstraße je 40 Parkplätze und sperrt Straßenstücke. Stattdessen werden Hochbeete und Sitzmöbel aufgebaut und Rollrasen verlegt. Vor Schlafzimmerfenstern steht plötzlich ein Riesen-Sandkasten. Anwohner, die sich übergangen fühlen, Party- und Kinderlärm beklagen und ihre Hunderte Stellplätze baut Grün-Rot 2023 ab. Der Streit eskaliert an der Kolumbusstraße Ein 13,8-Millionen-Euro-Radweg an der Elisenstraße kommt erst einmal nicht. dpa Dauersommer und Schneeberge Schneechaos im Dezember: Arbeiter rücken dem Eis an einer Haltestelle mit leistungsstarken Bohrhämmern zuleibe. MVG München Beginn der Industrialisierung in die Statistik eingehen. Anfang Dezember kommt dann der erste massive Wintereinbruch mit extremen Schneemengen auch in München. Beim ÖPNV geht plötzlich nichts mehr. Vor allem die Trambahnen und die S-Bahnen sind tagelang blockiert. Experten warnen, dass die extremen Wetterlagen mit Hitze, starken Regen- und heftigen Schneefällen zunehmen werden. RalphHub Der Juni startet in München mit einer Hitzewelle, der Juli und August sind dagegen eher wechselhaft, der Herbst ist viel zu trocken – das alles lässt ahnen, wo in kommenden Jahren die Reise in Sachen Klimaerwärmung hingeht. In der zubetonierten Stadt ist es zudem noch ein paar Grad heißer als im luftigeren Münchner Umland. 2023 wird laut dem EUKlimawandeldienst Copernicus als das wärmste Jahr seit MÜNCHEN 2023 kompakt Führungschaos bei „Münchner Wohnen“ MÜNCHEN Den Plan der Stadt, die eigenen Wohnungsbaugesellschaften Gewofag und GWG zur „Münchner Wohnen“ mit rund 70 000 Wohnungen zu fusionieren, begleiten einige Führungs-Turbulenzen. Erst stolpert Gewofag-Chef Klaus-Michael Dengler über eine Gutachten-Affäre, dann murrt die Rathaus-Opposition, dass SPD-Stadtrat Christian Müller einen Geschäftsführerposten bekommt. Schließlich wirft CEO Andreas Lehner nach nur einem Monat seinen Job gleich wieder hin. Die Fusion soll trotzdem zum 1. Januar 2024 kommen. Stammstrecken-Debakel MÜNCHEN2026 hätte die Zweite Stammstrecke fertig sein sollen. Inzwischen ist die Rede von 2038 und kosten wird es wohl einige Milliarden mehr. Wer ist schuld? 2023 war geprägt von einem Untersuchungsausschuss, in dem der einst zuständige Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) von Erinnerungslücken sprach und Ministerpräsident Markus Söder (CSU) die Bahn beschuldigte. Mord an Obdachlosem (78) geklärt ENGLISCHER GARTEN Ein 56-jähriger Obdachloser sitzt in U-Haft. Er soll unter der Kleinhesseloher Brücke einen obdachlosen Mann (78) getötet haben. Protestzentrum München Diesem Lkw-Fahrer langt’s: Er tritt einen Klimaaktivisten, der in der Von-der-Tann-Straße am Boden liegt. Foto: Daniel von Loeper Aktivisten der „Letzen Generation“ kündigen im Sommer an, München zu einer Protesthochburg zu machen. Am 24. August eskaliert die Lage fast: Zwölf Straßenblockaden in der ganzen Stadt zählt die Polizei, 200 Beamte sind im Einsatz und nehmen die Personalien von 80 Klimaklebern auf. Etliche Autofahrer verlieren schier die Nerven, ein Lkw-Fahrer tritt sogar zu. Landtagswahl-Roulette Große Enttäuschung bei SPD und FDP, Erleichterung bei Grünen und CSU: So lässt sich die Stimmungslage nach der Landtagswahl am 8. Oktober in München zusammenfassen. Die FDP wird ganz aus dem Landtag herausgewählt. Aber auch für die SPD läuft es nicht gut – selbst im seit Jahrzehnten SPD-regierten München stürzen die Genossen auf 12,1 Prozent ab. Die Abgeordnete Diana freuen: Der frühere Personalreferent der Stadt, Alexander Dietrich (CSU), holt das Direktmandat in Moosach. Auch Julia Post, die bis dahin für die Grünen im Stadtrat saß, schafft den Sprung in den Landtag. che Stachowitz, die für die SPD in Moosach angetreten war, schafft es mit diesem Ergebnis nicht mehr ins Maximilianeum. 15 Jahre hatte sie dort Politik gemacht. Dafür darf sich ein anderer Grüne und CSU können sich über ihre Ergebnisse in München freuen. Für die SPD läuft’s bitter Nach 15 Jahren im Landtag raus: Diana Stachowitz (SPD). SPD Früher Referent, jetzt im Landtag: Alexander Dietrich, CSU. S.Müller Aus dem Stadtrat in den Landtag: die Grüne Julia Post. Grüne Bürgermeisterin wirfthin Völlig überraschend, auch für die eigenen Leute, verkündet die grüne Bürgermeisterin Katrin Habenschaden im Oktober, dass sie ihr Amt niederlegt, die „Belastung“ habe „Spuren hinterlassen“. Sie wechselt zur Deutschen Bahn. Ihr Nachfolger wird der grüne Fraktionschef Dominik Krause(siehe S. 2). iko Katrin Habenschaden. loe

6 DAS WAR 2023 ABENDZEITUNG MITTWOCH, 27. DEZEMBER 2023 WWW.AZ-MUENCHEN.DE JAN FEB OKT NOV MRZ T2023 B APR MAI JUN AUG SEP A JUL DEZ Der Verkauf des 49-EuroDeutschland-Tickets startet für den Nah- und Regionalverkehr – als Nachfolger des 9-Euro-Tickets. 3. April Die letzten drei Atomkraftwerke in Deutschland werden abgeschaltet. Wegen der Energiekrise waren die Meiler Isar 2, Neckarwestheim 2 und Emsland länger am Netz geblieben. 15. April Kai Wegner (CDU) wird erst im dritten Anlauf zum neuen Regierenden Bürgermeister von Berlin gewählt. 27. April Elon Musks Mega-Raketensystem „Starship“ (SpaceX) bricht in Texas bei seinem ersten Testflug kurz nach dem Start auseinander. 20. April Finnland wird 31. Mitglied der Nato. Mit seiner 1300-Kilometer- Grenze zu Russland war es lange bündnisfrei. Der Beitritt ist eine Reaktion auf den russischen Einmarsch in die Ukraine. 4. April Deutschland startet die Evakuierung seiner Bürger und anderer Staatsbürger aus dem schwer umkämpften Sudan. Die Luftwaffe transportiert mehr als 700 Menschen. 23. April 22 Brandanschläge auf Infrastruktur Eine Serie von Brandanschlägen schreckt 2023 München und das Oberland auf – die Taten sind offenbar politisch motiviert. Es geht um 22 Angriffe, auffallend oft sind es Einrichtungen der Infrastruktur. Der Gesamtschaden geht in die Millionen. Die Generalstaatsanwaltschaft und eine extra dafür gegründete Ermittlungsgruppe mit Namen „EG Raute“ fahnden nach den Tätern. Seit Mai häufen sich die Fälle. Am 19. Mai brennen in der Hans-Preißinger-Straße zwei E-Autos der Stadtwerke an einer Ladesäule. In der Nähe steht auf einer Wand „No HKW“ („Kein Heizkraftwerk). Es folgen mehrere Anschläge auf weitere E-Autos im Stadtgebiet. Am 14. August bemerkt die Besatzung eines Polizeihelikopters, dass auf dem Mitteldamm der Isar nahe Pullach ein Bagger auf einer Baustelle der Münchner Stadtwerke brennt. Am 22. Oktober steht bei Egling ein Bagger in Flammen, kurz darauf brennt bei Grünwald an drei Stellen die Isolierung von Rohren an Erdwärmeleitungen. Ein Millionenschaden entsteht beim Brand eines Bauzugs am 28. Oktober nahe Unterföhring. Im November werden in Johanneskirchen an der Baustelle zur neuen Trambahntangente ein Bagger und ein Lastwagend angezündet. Am 11. Dezember brennt es frühmorgens in einem Kabelschacht an der Baustelle der Ludwigsbrücke, wenig später auch im Perlacher Forst und in Forst Kasten. In beiden Fällen gehen Holzvollernter (Harvester) in Flammen auf. Am 15. Dezember brennen im Forstenrieder Park nahe Pullach zwei Baum-Erntemaschinen aus. Es besteht der Verdacht, dass es sich auch in den jüngsten Fällen um linksextremistisch motivierte Taten handelt. Von den Brandstiftern fehlt bisher jede Spur. RalphHub Die Täter zündeln in München und im Oberland – sind es Linksextremisten? 9. Juni 2023, morgens um 3.15 Uhr brennt ein Funkmast am Lüßl. BD Wiesn – endlich sorgenfrei Bei der Abschlusspressekonferenz 2023 kommt Wiesnchef Clemens Baumgärtner aus dem Schwärmen kaum mehr heraus: Eine Rekord-Wiesn sei es gewesen, ganz wie aus dem Bilderbuch. Zum einen liegt das am neuen Besucherrekord von rund 7,2 Millionen Gästen. Die haben allerdings auch ganze 18 Tage Zeit. Besonders im Vergleich zum Vorjahr eine enorme Steigerung: 2022 kamen insgesamt 5,7 Millionen Menschen auf das Oktoberfest. Der Besucherandrang liegt nicht zuletzt am wahrlich traumhaften Wetter. Schirme werden auf der Wiesn höchstens gegen die Sonne aufgespannt, die Temperaturen sind sommerlich warm, teils fast (zu) heiß. Vielleicht mit ein Grund, warum auch der Konsum von alkoholfreien Ge18 Tage feiern: Das Oktoberfest 2023 wird zum Bilderbuchfest mit Traumwetter und einem neuen Besucherrekord – und das alles ganz ohne Corona-Angst Der Blick vom Riesenrad auf die Theresienwiese. Das Oktoberfest verzeichnet 2023 einen Besucherrekord mit rund 7,2 Millionen Gästen. Imago tränken im Vergleich zum Vorjahr um 50 Prozent steigt. Zeitweise geht in den Zelten sogar das Wasser aus. Aber draußen gibt es ja Rettung für die Wasserdurstigen: Erstmals bietet die Wiesn Zapfmöglichkeiten für kostenloses Trinkwasser. An den Wasserspendern bilden sich teils lange Menschenschlangen. Bier wird freilich auch reichlich getrunken: 6,5 Millionen Maß Festbier bringen die Wiesnwirte unter die Oktoberfestgäste. Kein Wunder, dass da auch mal ein Krug geklaut wird. 115 600 Maßkrüge konfiszieren die Ordner außerhalb der Zelte. In den Zelten schunkeln die Wiesnbesucher dieses Jahr besonders häufig zum Italo-Klassiker „Sarà perché ti amo“. Schließlich wird der sogar zum Wiesn-Hit gekürt. Für die ausgelassene Stimmung sorgen aber nicht nur Mitgröl-Musik und Festbier. Besonders die Wirte betonen die Erleichterung darüber, dass Corona – im Vergleich zum Vorjahr – auf der Wiesn dieses Jahr kein Thema mehr gewesen sei. Alles in allem also wirklich: ein Bilderbuchfest. Carmen Merckenschlager Der Schweinsbraten-Kampf Zur Unterstützung der Gastronomie hat die Politik während der Pandemie die Mehrwertsteuer auf Speisen von 19 auf sieben Prozent gesenkt. 2023 kämpfen Wirte und Verbände wie der Dehoga dafür, den niedrigen Steuersatz beizubehalten. Ihre Argumente: Inflation und gestiegene Kosten für Energie und Lebensmittel träfen die Branche hart – das könnten sie mit der Steuersenkung zum Teil ausgleichen. Aber sie kämpfen erfolglos: Die Steuer wird 2024 wieder hochgehen. Nur Mitnehm-Speisen bleiben bei sieben Prozent. Der Restaurantbesuch wird also im Schnitt um zwölf Prozent teurer. Ruth Frömmer Münchner Wirte und Verbände kämpfen um die Sieben-Prozent-Steuer – aber vergeblich Ein Schweinsbraten mit Knödel kostet 2023 im Schnitt noch 15,90 Euro – aber das bleibt nicht so. Ab Januar wird er 17,80 Euro kosten. imago ZWEI RÄTSELHAFTE MORDE Aufsehen um zwei Cold-Case-Fälle Nach 45 Jahren klärt die Polizei 2023 den Raubmord an dem Ex-Manager Josef B. aus Obergiesing auf. Der damals 69-Jährige war erschlagen in der Badewanne gelegen, als man ihn kurz nach Neujahr 1979 in seiner Wohnung fand. Inzwischen ist der mutmaßliche Täter, der unentdeckt in Großbritannien gelebt hat, 70 Jahre alt. Jetzt sitzt er in U-Haft, ihm droht eine lebenslange Gefängnisstrafe. Der Mord an Schülerin Sonja Engelbrecht (19) im Frühjahr 1995 ist dagegen weiter ungeklärt. Die Ermittler setzen 2023 große Hoffnung auf eine auffällige Decke, die man bei der Toten fand, doch die Spur bringt keinen Durchbruch. rah PROZESS DES JAHRES Aus Freispruch wird lebenslange Haft Zunächst sieht es wie ein Suizid aus, dann wie ein Unfall, weil sich bei einem Gerangel ein Schuss gelöst haben soll. Doch acht Jahre nach der Tat wird der 64-jährige Srecko S. 2023 wegen Mordes an seiner Ehefrau doch noch zu lebenslanger Haft verurteilt. Er soll die Frau mit einem Kopfschuss gezielt getötet haben, weil sie sich von ihm getrennt hatte. Dabei hatte das Landgericht zunächst entschieden, dass es noch Zweifel an der Täterschaft des Mannes gebe – und sprach ihn frei. Der BGH allerdings kassiert das Urteil, und eine andere Kammer des Landgerichts München I muss erneut ran. Das Schwurgericht hat dann keine Zweifel mehr und kommt am 6. Dezember zu dem Schluss, dass der 64-Jährige schuldig ist. John Schneider Der Angeklagte im Gerichtssaal. Foto: Peter Kneffel/dpa

7 DAS WAR 2023 ABENDZEITUNG MITTWOCH, 27. DEZEMBER 2023 WWW.AZ-MUENCHEN.DE Planen und kein Ende Um einige Großbauten in München wird seit Jahren gerungen. Dem Bau der Zwillingstürme an der Paketposthalle steht seitens der Stadt 2023 nichts mehr im Weg: Die Stadtgestaltungskommission gibt im Mai ihren Segen für den aktuellen Entwurf der 155-Meter-Türme: ohne Außenaufzüge und mit gewellter Fassade. Der Bauherr, die Büschl Unternehmensgruppe, hat Ideen gesammelt, wie die denkmalgeschützte Paketposthalle, die zum Projekt gehört, belebt werden könnte: mit Sofalandschaften, einem Beachvolleyballplatz und einem Trampolinpark. Grünen-Stadträtin Anna Hanusch wünscht sich, dass die Türme „in zehn Jahren stehen“. Die Hochhausgegner allerdings äußern Ende des Jahres Zweifel, ob es – im Zuge der großen Baukrise, die auch in München Investoren in finanzielle Schieflage gebracht hat – überhaupt zu einer Fertigstellung kommen kann. Die Stadt gibt ihren Segen für den Bau der 155-Meter-Türme an der Paketposthalle. Der neue Großmarkt soll ein riesiger Flachbau werden. Aber kommen diese Großprojekte überhaupt? Umstritten bleibt das würfelige Candid-Tor Kompakt und verglast: So soll die SüdFassade der gigantischen neuen Großmarkthalle nach den neuesten Plänen aussehen. 60 Prozent des Dachs sollen mit Photovoltaik bedeckt werden. Visualisierung: Allmannwappner Für den neuen Münchner Großmarkt will derselbe Investor nach jahrelangem Hin und Her an der Schäftlarnstraße einen gigantischen Flachbau errichten. Händler des Fruchtverbands stimmen Mitte Dezember aber gegen die Halle. Sie sei zu klein, LKW-Abstellfächen fehlten. Das Projekt wackelt wohl auch wirtschaftlich, weshalb die Stadt erwägt, dem Betreiber eine Art AnmietGarantie zu geben für den Fall, dass es zu Leerstand kommt. Umstritten sind auch die Pläne zum würfeligen Bau des CandidTorsin Untergiesing. Values und Ehret + Klein wollen das Inselgrundstück am Mittlerem Ring Straße aufwerten. Das Viertel wehrt sich aber gegen so eine „unpassende Gentrifizierung“. Eva von Steinburg Um 20 Grad gedreht und mit luxuriöser Aussicht: Gewellt sollen die Fassaden der Paketposthallen-Türme aussehen. Vis.: Herzog & de Meuron Grün ist die Ringbrücke überm Candidplatz, begrünt soll auch die Fassade des „Candid-Tors“ werden. Anwohner sind skeptisch. Vis.: Ehret+Klein Miete im Schnitt 19,50 Euro Das ganze Münchner Immobilien-Jahr 2023 ist geprägt von der Wirkkraft der Zinswende Mitte 2022. Damals erhöht die Europäische Zentralbank erstmals seit etwa 15 Jahren die Leitzinsen – und erhöht sie noch weiter, bis auf aktuell 4,5 Prozent. Das hat große Folgen für den Immobilienmarkt in der Stadt. Die Kaufpreise in München sind seither deutlich gesunken. Vor allem die meistgehandelte Immobilie – die Eigentumswohnung im Bestand – ist im Schnitt um 13 Prozent günstiger geworden. Und weil der Sinkflug anhält, warten die potenziellen Käufer lieber mal ab. Das hat Folgen für den Mietmarkt. Denn potenzielle Käufer drängen – oft geldmächtig – auf den ohnehin knappen Mietmarkt. Dazu kommen Baustopps. Viele Projekte starten erst gar nicht. Die Folge: noch weniger Mietobjekte. Bis auf 19,50 Euro je Quadratmeter steigt der Durchschnitts- Mietpreis im Stadtgebiet bei neuen Mietverträgen. Der nächste Umzug in München wird also teuer. Hüseyin Ince Verkäufer haben Angst vor Verlusten, Käufer warten ab – das wirkt sich auf den Markt aus DIE AZ-UMFRAGE Wiewar Ihr Jahr? Jonas Hölscher (33), Tätowierer: „Das Jahr 2023 war für mich persönlich viel Neues, weil viele positive Veränderungen passiert sind – und ich bin gespannt darauf, wie es weitergeht.“ Maximiliane Schorer (27), Unternehmensberaterin: „Für mich war 2023 ein sehr schönes Jahr, weil viele aus dem engsten Freundeskreis nach München hergezogen sind.“ Jonas Peter (28), Unternehmensberater: „2023 war dynamisch, weil ich noch relativ frisch im ersten Job bin, neu in München und viel am Reisen.“ Fotos/Umfrage: Daniel von Loeper Kredit-Stopp Wohnraum zu erlangen. Nun können sich das viele nicht mehr leisten, gerade aus der Mittelschicht, betonen Genossenschaftsverteter. Auch Genossenschaften bangen – ohne die Einlagen können sie nicht bauen. Projekte liegen brach oder platzen. In München gefährdet das bis zu 1500 neue Wohnungen. Myriam Siegert Plötzlich ist Ende November 2023 alles in der Schwebe. Nachdem auf Bundesebene eine Haushaltssperre verhängt ist, stoppt die KfW-Bank ihre Fördermodelle für Genossenschaften: zinsgünstige Darlehen für Privathaushalte mit dem einzigen Ziel, sich in eine Genossenschaft einzukaufen und so günstigen Wir sind da. Im alten wie im neuen Jahr. Mehr unter: adac.de/suedbayern Ob auf der Straße, auf Reisen oder zuhause, ob bei Fragen zu Mobilität, Gesundheit oder Freizeit – wir sind da, damit Sie sicher und sorgenfrei durchs Jahr kommen. Besuchen Sie uns in unserer neu gestalteten ADAC Geschäftsstelle und Reisebüro in München West oder an unseren sechs weiteren Standorten in München und Umgebung.

JETZT. BIS 50% LONGCOATS MUSTHAVES l SHEARLINGLODEN QUIET LUXURY DENIM DELUXE NINE TO FIVE PUFFER VESTS GLOVES SCARVES SUITING LODEN LOD NFREY LOOKS SWEATERS NIGHT OUT ENFREY SOPHISTICATED COWBOY BOOTS COZY LEISURE WEAR HOODIES l l l NEW TAILORING NAVY EY LODENFR CHUNKY BOOTS l FREY FREY LODEN ENFREY LODE l l FANCY KNITS WOOL l

ABENDZEITUNG MITTWOCH, 27. DEZEMBER 2023 WWW.ABENDZEITUNG.DE TELEFON089 23 77-3100 E-MAIL POLITIK@ABENDZEITUNG.DE POLITIK Ende Die Atomkraft ist Geschichte SEITE 10 9 DAS WAR 2023 Anfang Charles III. besteigt den Thron SEITE30 Der Rechtsruck len, fahren die Freien Wähler ein Rekord-Ergebnis von 15,8 Prozent ein, das beste ihrer Geschichte. Die AfD punktet ebenfalls und wird mit 14,6 Prozent der Stimmen Oppositionsführerin. Die CSU (37,0) muss Federn lassen – genau wie die Ampelparteien Grüne (14,4) und SPD (8,4). Die Freien Demokraten fliegen mit 3,0 Prozent der Stimmen gar aus dem Landtag. In der Folge erhalten die Freien Wähler ein viertes Ressort – und die CSU ringt ihnen in der Präambel des Koalitionsvertrages ein klares Bekenntnis zur Demokratie ab. Anfang 2024 Jahres könnte sich das Kräfteverhältnis im Landtag allerdings erneut verändern, diesmal in die andere Richtung: Der AfD-Landesvorstand prüft einen Parteiausschluss des Abgeordneten David Halemba, der sich auf die Wahlliste getrickst haben soll (was er bestreitet). Sollte der 22-Jährige Partei und Fraktion verlassen müssen, wären nicht mehr die Rechtspopulisten stärkste Oppositionsfraktion – sondern wieder die Grünen. Natalie Kettinger Helmut, er habe das judenfeindliche und rechtsextreme Pamphlet verfasst. Was dann folgt, ist für viele der eigentliche Tiefpunkt. Denn während Aiwanger erst sehr spät und auf Druck sein Bedauern über die Geschehnisse vor 30 Jahren ausdrückt, inszeniert er das Narrativ von einer Hexenjagd und stilisiert sich selbst zum Opfer: Medien und Grüne wollten ihm so kurz vor der Landtagswahl schaden. Das Entsetzen nicht nur in der jüdischen Gemeinschaft ist groß. Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, weigert sich, Aiwangers Entschuldigung anzunehmen. Rücktrittsforderungen werden laut. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) fordert von Aiwanger die schriftliche Beantwortung eines Fragenkatalogs – und hält am Ende an seinem Stellvertreter fest. Bei Teilen der Bevölkerung scheint Aiwangers Darstellung allerdings zu verfangen. Als die Menschen im Freistaat am 8. Oktober den 19. Bayerischen Landtag wähFreistaat politisch ein deutliches Stück nach rechts gerückt, die AfD stärkste Oppositionsfraktion, und die Freien Wähler haben – trotz eines weiteren, gravierenderen Skandals um ihren Chef – ein Ministerium hinzugewonnen. Das zweite Vorkommnis wird als „Flugblatt-Affäre“ in die Annalen eingehen: Im August enthüllt die „SZ“, dass Aiwanger als 17-Jähriger am Gymnasium in Mallersdorf-Pfaffenberg mit einem üblen antisemitischen Flugblatt im Ranzen erwischt und dafür auch bestraft worden ist. Die Zeitung gibt Aiwanger vor Veröffentlichung des Artikels die Möglichkeit zu einer Reaktion. Der Freie-Wähler-Chef lässt über einen Sprecher mitteilen, er habe das Flugblatt „nicht produziert“. Am Tag nach der Veröffentlichung der Vorwürfe behauptet dann Aiwangers älterer Bruder Es ist Anfang Juni, als Bayerns stellvertretender Ministerpräsident Hubert Aiwanger (Freie Wähler) auf einer von der Kabarettistin Monika Gruber mitinitiierten Kundgebung gegen das Heizungsgesetz der Ampel-Regierung einen Satz sagt, der Demokraten das Blut in den Adern gefrieren lässt. „Jetzt ist der Punkt erreicht, wo endlich die schweigende große Mehrheit dieses Landes sich die Demokratie wieder zurückholen muss und denen in Berlin sagen: Ihr habt’s wohl den Arsch offen da oben“, ruft er in Erding vor 13 000 Menschen ins Mikrofon. Als gäbe es die Demokratie in Deutschland nicht mehr – und als sei der bayerische Wirtschaftsminister keiner von „denen da oben“. Doch Aiwangers Populismus schreckt nicht ab: Am Ende dieses Landtagswahl-Jahres ist der Die Menschen im Freistaat wählen den 19. Bayerischen Landtag. Sie stärken AfD und Freie Wähler. Deren Vorsitzender sorgt im Vorfeld mit der „Flugblatt-Affäre“ für Aufregung „Die schweigende große Mehrheit dieses Landes muss sich die Demokratie zurückholen.“ Hubert Aiwanger im Juni auf der Bühne in Erding. Der Freie-WählerChef sorgt mit seinen Aussagen für einen Eklat. Foto: Matthias Balk/dpa Terror-Angriff auf Israel rung in Gaza wächst. Dort herrschten „unvorstellbare Verluste, Zerstörung und Elend“, schrieb Cindy McCain, Leiterin des Welternährungsprogramms, auf X. Jeder leide Hunger. International mehren sich die Stimmen, die einen „dauerhaften Waffenstillstand“ fordern. Auch in Israel selbst wächst die Kritik an dem Kriegseinsatz. Doch Netanjahu, der auch um sein politisches Überleben kämpft, bleibt dabei: „Wir sind entschlossener denn je, bis zum Ende weiterzumachen, bis wir die Hamas vernichtet haben und alle unsere Entführten zurückgebracht haben“, sagt er Mitte Dezember. Bis kurz vor Weihnachten wurden laut dem von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums fast 20 000 Menschen im Gaza-Streifen getötet. Auch 121 israelische Soldaten ließen dort ihr Leben. nk Gremium eine völkerrechtlich bindende Resolution mit der Forderung nach Feuerpausen im Gaza-Streifen an, um den Menschen die Flucht in weniger umkämpfte Regionen zu ermöglichen. In der Folge lässt die Hamas 69 Geiseln frei – im Austausch für in Israel inhaftierte Palästinenser. Doch die Waffenruhe währt nicht ewig. Bald wird weitergekämpft. Die Not der Bevölkegelte Küstengebiet. Nach dreiwöchigem Raketenbeschuss dringen israelische Panzer in das von der Hamas kontrollierte Areal ein. Die Zahl der Opfer unter der palästinensischen Zivilbevölkerung steigt schnell, weshalb etwa UN-Generalsekretär António Guterres die Regierung von Premierminister Benjamin Netanjahu im Weltsicherheitsrat scharf kritisiert. Mitte November nimmt das Das Grauen, das am 7. Oktober über Israel hereinbricht, ist kaum in Worte zu fassen. Terroristen der palästinensischen Hamas und des Islamischen Dschihad überfallen den Süden des Landes und richten dort Massaker an. Sie morden, vergewaltigen und brandschatzen. Mindestens 260 Menschen schlachten sie allein auf dem Supernova-Festival in der Negev-Wüste regelrecht ab. Insgesamt werden am 7. Oktober und in den folgenden Tagen mehr als 1200 Menschen in Israel getötet – und 239 von den Islamisten in den Gaza-Streifen verschleppt. Israel reagiert mit harten Gegenangriffen auf das abgerieWieder Krieg in Nahost: Die islamistische Hamas tötet 1200 Menschen, Netanjahu schlägt zurück Zwei Frauen gedenken der Opfer auf dem Gelände des Supernova Musik-Festivals im Süden Israels. Foto: Jack Guez / AFP POLITIK kompakt Lützerath ist Geschichte LÜTZERATH Am 11. Januar beginnt die Polizei damit, den von Klimaaktivisten besetzten Ort Lützerath im rheinischen Braunkohlerevier zu räumen. Fünf Tage später verlassen die letzten zwei Besetzer einen Tunnel unter der Siedlung. Biden besucht die angegriffene Ukraine KIEW Fast ein Jahr nach Beginn des russischen Angriffskriegs besucht Joe Biden am 20. Februar unangekündigt und erstmals als US-Präsident die Ukraine. Mitte Mai reist Selenskyj erstmals seit dem Überfall auf sein Land in die Bundesrepublik. Finnland tritt der Nato bei HELSINKI Finnland wird am 4. April 31. Mitglied der Nato. Das nordische Land mit seiner mehr als 1300 Kilometer langen Grenze zu Russland war lange bündnisfrei gewesen. Der Beitritt ist eine Reaktion auf den russischen Einmarsch in die Ukraine. Erdogan bleibt im Amt ANKARA Der türkische Amtsinhaber Recep Tayyip Erdogan verfehlt bei der Präsidentenwahl knapp die erforderlichen 50 Prozent der Stimmen. 14 Tage später gewinnt er die Stichwahl gegen seinen Herausforderer Kemal Kilicdaroglu. Erdogan ist bereits seit August 2014 Präsident des Landes. Anklage gegen Ex-Präsident Trump WASHINGTON Die US-Justiz erhebt am 9. Juni erstmals Anklage gegen einen früheren Präsidenten: Donald Trump. Ihm wird Verschwörung zur Behinderung der Ermittlungen und die gesetzeswidrige Aufbewahrung höchstsensibler Informationen zu nuklearen Fähigkeiten der USA zur Last gelegt. Wagenknecht verlässt die Linke BERLINDie Politikerin Sahra Wagenknecht verlässt am 23. Oktober die Linke. Sie will 2024 mit einer neu gegründeten Partei zur Europawahl antreten. In der Folge löst sich die Linksfraktion im Bundestag auf und beantragt einen Gruppenstatus. MEINUNG Natalie Kettinger Die Politik-Chefin über herausfordernde Zeiten natalie.kettinger@abendzeitung.de Bloß keine Panik ‚‚ Wieder geht ein Krisen-Jahr zu Ende. Krieg in der Ukraine, Krieg zwischen Israel und der Hamas. Inflation, Energiepreis-Schock, teure Lebensmittel, explodierende Mieten. Hitzesommer und Überflutungen. Die Bundesregierung fällt vor allem durch ihre Zerstrittenheit auf, die AfD profitiert von der zunehmenden Politikverdrossenheit der Bürger – und ihrer Furcht vor existenzbedrohenden Veränderungen. Das neue Jahr verspricht, nicht weniger herausfordernd zu werden. Eine Lösung ist weder in der Ukraine noch im Nahost-Konflikt in Sicht. In Thüringen, Sachsen und Brandenburg stehen im September Landtagswahlen an, und überall liegen die Rechtspopulisten aktuell vorne. Sollte es die Ampelregierung in den nächsten Monaten zerbröseln, müsste auf Bundesebene ebenfalls neu gewählt werden – und auch in diesem Fall dürften die großen Gewinner von rechts außen kommen. In Russland lässt sich Wladimir Putin im März erneut zum Präsidenten wählen – und in den Vereinigten Staaten könnte Donald Trump im November ins höchste Staatsamt zurückkehren. Keine schönen Aussichten. Aber erstens könnte manches auch anders kommen, und zweitens sind Angst und Verzweiflung schlechte Ratgeber – sowohl in der Politik als auch im Privaten. In aufregenden Zeiten sind Pragmatismus und Zuversicht gefragt, auch wenn es schwerfällt. Denn Panik macht nie irgendetwas besser, aber sehr oft vieles schlechter.

10 DAS WAR 2023 ABENDZEITUNG MITTWOCH, 27. DEZEMBER 2023 WWW.AZ-MUENCHEN.DE JAN FEB OKT NOV MRZ T2023 B APR MAI JUN AUG SEP A JUL DEZ Der Tübinger OB Boris Palmer tritt aus der Partei Bündnis 90/ Die Grünen aus. Palmer hatte immer wieder mit strittigen Aussagen polarisiert. 1. Mai Mitglieder des Remmo-Clans werden über drei Jahre nach dem Juwelendiebstahl aus dem Grünen Gewölbe in Dresden zu Haftstrafen verurteilt. Sie gehen in Revision. 16. Mai Linksextremistin Lina E. wird in Dresden nach Angriffen auf Rechtsextreme zu über fünf Jahren Haft verurteilt. Es kommt zu Ausschreitungen. 31. Mai Klimaaktivisten schütten schwarze Flüssigkeit in den Trevi-Brunnen in Rom – sie protestieren gegen Subventionen für fossile Brennstoffe. 21. Mai Loreen gewinnt zum zweiten Mal für Schweden den Eurovision Song Contest. Bei der Liveshow in Liverpool landet Deutschland mit Lord Of The Lost wieder nur auf dem letzten Platz. 13. Mai Ugandas Präsident Yoweri Museveni unterzeichnet ein Gesetz gegen homosexuelle Handlungen, das auch die Todesstrafe vorsieht. 29. Mai Das Ende der Atomkraft und der Gasheizung Dieses Jahr könnte den Beginn eines neuen Energiezeitalters markieren: das Ende der Atomkraft und auch das zumindest politisch eingeleitete Ende der Gasversorgung. Dass beides ins selbe Jahr fällt, hängt auch unmittelbar zusammen: Eigentlich sollte bereits Ende 2022 das letzte Atomkraftwerk vom Netz gehen, doch die ausgebliebenen Gaslieferungen Russlands machten eine kurzzeitige Verlängerung erforderlich. Bis zuletzt war der Atomausstieg umstritten: Die Union hatte das ursprünglich unter ExKanzlerin Angela Merkel (CDU) mitbeschlossene Aus für verfrüht erklärt. Und auch die FDP wollte die Atomkraftwerke für Notfälle in Reserve halten. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) warb für einen Weiterbetrieb des Kraftwerks Isar 2 in Landesverantwortung. Auf einer Demo in Erding sagte er, der Ausstieg aus der Atomenergie sei ein Fehler gewesen – und „es fehlt der Strom, um komplett auf die Wärmepumpe umzusteigen“. Die am Ende wesentlich größere und hitzigere Energiedebatte sollte auf ebendieser Veranstaltung vergangenen Sommer ihren Höhepunkt finden: das umstrittene „Heizungsgesetz“, das Deutschland perspektivisch unabhängig vom Gas beim Heizen machen soll, wurde dort von 13 000 Demonstranten scharf kritisiert. Im Mittelpunkt der Diskussion: die Wärmepumpen-Technologie und die Finanzierung des Gesetzes. Besonders innerhalb der Ampel gab es Zoff: Die FDP hatte den Zeitplan in Frage gestellt, Grüne und SPD widersprachen. Das letztendlich nicht wie angedacht vor der Sommerpause, sondern erst im September verabschiedete Gesetz untersagt den Einbau neuer Öl- und Gasheizungen in Neubaugebieten ab 2024. Gemäß dem Gebäudeenergiegesetz (GEG) müssen ab dem neuen Jahr neu installierte Heizungen zu 65 Prozent mit Erneuerbaren Energien betrieben werden. In der aufgeheizten Debatte kursierten viele Gerüchte um das Gesetz: So hieß es unter anderem, dass alle Heizungen ausgetauscht werden müssten. In Wirklichkeit darf selbst im Falle einer Reparatur die alte wieder instandgesetzt werden. Doch die jüngste Haushaltsdebatte hinterlässt auch hier ihre Spuren: So soll etwa der Geschwindigkeitsbonus für den Heizungsaustausch maximal 20 Prozent statt 25 Prozent betragen. man Die letzten Reaktoren sind abgeschaltet worden. Und Gas soll weniger Gebrauch finden Eine Wärmepumpe. Foto: dpa Das Jahr 2023 war ein Jahr der Arbeitskämpfe. Verdi, EVG, GDL – sie alle haben mächtig Stunk gemacht. Der Anlass: die anhaltende Inflation und die dadurch schwindende Kaufkraft. Die Folge: viel Warterei, Home-Office und lange Gesichter bei Millionen Reisenden in Deutschland. Zuerst hatte es die Flugpassagiere getroffen: Nach zwei erfolglosen Verhandlungsrunden zwischen Verdi und dem Bundesverband der Luftsicherheitsunternehmen (BDLS) rief die Gewerkschaft Ende Februar zum Streik auf. Der Höhepunkt am 27. März: Allein in München waren 200 000 Passagiere betroffen. Bis Mitte Mai hielt der Konflikt an. Das Ergebnis für die Streikenden: höhere Zuschläge für Nacht- und Feiertagsarbeit sowie neuartige Zulagen für Führungskräfte. „Der Abschluss stellte die Arbeitgeberseite vor große Herausforderungen und war in der wirtschaftlichen Umsetzung sehr schwierig“, sagt BDLS-Geschäftsführerin Cornelia Okpara auf Nachfrage der AZ. Schon die Lohnerhöhungen von 28,2 Prozent in 2022 hätten zu „massiven Kostensteigerungen“ geführt und wären in der damaligen wirtschaftlichen Situation der Branche „einfach zu hoch“ gewesen, so die BDLS-Chefin. Streiks bei Flughäfen und bei der Bahn auch im Jahr 2024 Wolfgang Pieper, Verhandlungsführer von Verdi, ist hingegen zufrieden mit den erzielten Zeitzuschlägen. Aber: „Wir sind nicht zufrieden, dass wir keine Lösung gefunden haben für die nicht bezahlten Überstunden für die Beschäftigten“, sagt Pieper im Gespräch mit der AZ. Die Kritik der Arbeitgeber an der finanziell hohen Belastung versteht der Gewerkschafter nicht: „Man fragt sich, warum die jetzt immer noch alle jammern.“ Für die Entgelttarifverhandlungen, die im neuen Jahr anstehen, fordert BDLS-Geschäftsführerin Okpara eine verbindliche Schlichtung. Verhandlungsführer Pieper sieht darin jedoch den Versuch, sich dadurch vor Streiks flüchten zu wollen. Nicht weniger turbulent ging es auf den Gleisen Deutschlands in diesem Jahr zu: Zuerst hatte die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) ab März mehrere Warnstreiks abgehalten, Ende des Jahres legte dann die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) nach. Der EVG-Lohnkampf hatte mit seinen zwei bundesweiten Warnstreiks am 27. März und 21. April seine Höhepunkte: 24 Stunden war der Nah- und Fernverkehr weitestgehend lahmgelegt. Zu dem für den Mai angedrohten 50-StundenStreik, den die DB im Vorhinein als „irrsinnig“ und „restlos überzogen“ bezeichnete, kam es hingegen nie. Beide Parteien verständigten sich auf einen Vergleich. Die EVG einigte sich im Juli mit der Deutschen Bahn schließlich auf ein Schlichtungsverfahren. Die Gewerkschaftsmitglieder hatten dieses dann mit 52,3 Prozent knapp angenommen: Die Löhne sollen monatlich um 410 Euro steigen sowie eine steuer- und abgabenfreie Inflationsprämie von 2850 Euro im Oktober geben (mit einer Laufzeit von 25 Monaten). Die ursprüngliche Forderung: mindestens 650 Euro im Monat mehr (mit einer Laufzeit von zwölf Monaten). Auf Nachfrage der AZ, wie die EVG dieses Ergebnis bewertet, äußerte sich die Gewerkschaft nicht. Auch die Deutsche Bahn wollte die Fragen der AZ nach einer rückblickenden Bewertung nicht beantworten und verwies auf alte Statements. Eine lange Verschnaufpause hatte die Bahn jedenfalls nicht:DieGDL setzte ihren ersten und letzten Warnstreik für 2023 direkt in der Woche nach dem Münchner Schneechaos an. 80 Prozent der Fernzüge fielen wegen des GDLStreiks aus. „Ab dem 8. Januar sollte man mit längeren Arbeitskämpfen rechnen“, kündigte bereits GDL-Chef Claus Weselsky Mitte Dezember an. Alles deutet also darauf hin, dass auch 2024 ein Jahr der Streiks und des langen Wartens wird. Maximilian Neumair Wegen der hohen Inflation hat es zuletzt viele Lohnkämpfe gegeben. Das hat sich bei Flügen und der Bahn bemerkbar gemacht Am27.März gab es einen bundesweiten Warnstreik: EVG und Verdi hatten sich zusammengetan und so beinahe den gesamten Verkehr deutschlandweit lahmgelegt. Foto: Sina Schuldt/dpa Verkehrschaos und Streiks WIRTSCHAFT kompakt Das Bürgergeld löst Hartz IV ab BERLIN Im Januar sind die Regelsätze um 53 Euro gestiegen. Für Alleinstehende gibt es 502 Euro im Monat. Zu den Neuerungen gehört die sogenannte Karenzzeit: Im ersten Jahr werden die Kosten für Unterkunft in tatsächlicher Höhe und die Heizkosten in angemessener Höhe anerkannt und übernommen. Außerdem darf das Ersparte in dieser Zeit behalten werden. Die berufliche Weiterbildung für einen Zugang zum Fachkräftearbeitsmarkt wurde ebenfalls gestärkt. Das 49-Euro-Ticket startet BERLIN Der Verkauf der 49-Euro-Monatsabos für den Nah- und Regionalverkehr ist im April angelaufen. Ab Mai ist das als „Deutschlandticket“ bezeichnete Nachfolger-Angebot des 9-Euro-Tickets dann tatsächlich gültig. Bis auf Fernzüge kann durch diese neue Ticketvariante jedes öffentliche Verkehrsmittel deutschlandweit genutzt werden. Habecks Berater wird gefeuert BERLIN Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat sich im Mai von seinem umstrittenen Staatssekretär Patrick Graichen wegen des Vorwurfs der Vetternwirtschaft getrennt. Dieser hatte seinem Trauzeugen den Posten des Geschäftsführers der Deutschen Energie-Agentur verschaffen wollen, ohne das Näheverhältnis offenzulegen. Habeck sagte dazu, es gehe darum, „das Vertrauen in die Arbeit dieses Haus als Institution zu schützen“. Rente in Ost und West erstmals gleich BERLINMehr als 30 Jahre nach der Wiedervereinigung sind die Rentenwerte in Ost und West im Juli auf denselben Stand gekommen. Mit der jährlichen Rentenerhöhung ist die schrittweise Anpassung in beiden Teilen Deutschlands beendet. Pause der EZB bei Leitzins-Erhöhungen FRANKFURT Nach zehn Erhöhungen in Folge beschloss der EZB-Rat Ende Oktober, den Leitzins nicht weiter anzuheben und bei 4,5 Prozent zu belassen. Aufgrund der im September gesunkenen Teuerungsrate sollte der Zins nicht weiter angehoben werden. Seit Juli 2022 hatte die EZB mit einer Serie von Zinsanhebungen versucht, die angebotsgetriebene Inflation zu bekämpfen. Patrick Graichen (links) und Robert Habeck. Foto: dpa Die Europäische Zentralbank in Frankfurt. dpa

RkJQdWJsaXNoZXIy MTYzMjU=