Jahresrückblick 2023

20 DAS WAR 2023 ABENDZEITUNG MITTWOCH, 27. DEZEMBER 2023 WWW.AZ-MUENCHEN.DE 21 DAS WAR 2023 ABENDZEITUNG MITTWOCH, 27. DEZEMBER 2023 WWW.AZ-MUENCHEN.DE JAN FEB OKT DEZ NOV MRZ 2023 APR MAI JUN JUL I AUG N SEP 0 3 Kurz vor Beginn des Heavy-Metal-Festivals in Wacken darf keiner mehr aufs Gelände – zu viel Regen, zu viel Schlamm. 2. August Feuer im Paradies: Bei schweren Busch- und Waldbränden auf Maui und der Nachbarinsel Hawaii sterben mindestens 97 Menschen. 8. August Die Waldbrände im griechischen Alexandroupolis sind die größten in der Geschichte der EU. 19 Menschen sterben. 73 000 Hektar Land verbrennen. Ursache soll auch Brandstiftung sein. 24. August Wegen verheerender Brände in Kanada fliehen Zehntausende Menschen vor den Flammen. Die Regierung ruft den Notstand aus. 19. August Kremlgegner Alexej Nawalny wird wegen angeblichem Extremismus zu weiteren 19 Jahren Straflager verurteilt. Der Prozess wird weltweit als politische Inszenierung kritisiert. 4. August Der Privatjet des russischen Söldnerführers Jewgeni Prigoschin stürzt zwei Monate nach dessen Meuterei gegen die Moskauer Führung nordwestlich von Moskau ab. 23. August Nach wochenlangen Waldbränden überflutet Starkregen Mittelgriechenland. Hunderttausende Menschen sind betroffen. 4. September In Venedig müssen Tagestouristen künftig an bestimmten Tagen Eintritt zahlen – fünf Euro für Besuche von wenigen Stunden. 12. September Eine IT-Störung legt die zentrale Infrastruktur des VW-Konzerns lahm. Die Produktion in mehreren Werken steht still, bis die Systeme wieder stabil arbeiten. 27. September 26 Jahre nach dem Tod von Lady Diana wird ihr berühmter Pullover mit dem schwarzen Schaf in New York für rund eine Million Euro versteigert. 15. September Ein Erdbeben der Stärke 6,8 südwestlich von Marrakesch erschüttert Teile Marokkos. Fast 3000 Menschen kommen ums Leben, über 5600 werden verletzt. 8. September Vor der bayerischen Landtagswahl bestätigt der CSU-Parteitag Markus Söder mit 96,56 Prozent als Parteichef, das bisher beste Ergebnis in vier Vorsitzenden-Wahlen. 23. September Weltmeisterliche Krimi-Freunde Da ist das Ding! Die deutsche U17-Nationalmannschaft holt sich in Indonesien den Weltmeister-Titel. Foto: Achmad Ibrahim/dpa Wück. „Wenn man den Charakter dieser Mannschaft noch nicht kennengelernt hat, dann aber heute.“ Lob gab es auch von der Politik, die sich ja gerne im Erfolg des Sports sonnt. „Weltmeister! Ihr habt es euch verdient. Respekt für diese großartige Teamleistung, das packende Turnier und die Begeisterung, für die ihr gesorgt habt“, so Bundeskanzler Olaf Scholz. Konstantin Heide von der SpVgg Unterhaching zwei Schüsse vom Punkt, Almugera Kabar von Borussia Dortmund verwandelte dann den entscheidenden Strafstoß und bescherte so dem gebeutelten DFB ein seltenes Erfolgserlebnis. „Das war unser letztes gemeinsames Spiel. Es ist ein unheimliches Glücksgefühl“, sagte U17-Bundestrainer Christian Weltmeister! Die deutsche U17-Nationalmannschaft hat sich als Krimi-König bewiesen und auch das Finale der WM in Indonesien im Elfmeterschießen gewonnen. Die DFB-Youngster bezwangen Frankreich mit 4:3 nach der Nervenschlacht vom Punkt. Wie schon im Halbfinale gegen Argentinien parierte Deutschlands Torwart DFB, MVT, Herrjemine Nach dem Desaster auf dem Platz der deutschen Frauennationalmannschaft folgte ein weiteres Desaster. Ein „Kommunikationsdesaster. Da haben alle Parteien nicht gut agiert“, erkannte Bundestrainer Martina Voss-Tecklenburg (MVT) im ZDF. Da war sie, nach unwürdiger wochenlanger Farce, schon entlassen. Bei der WM in Australien/Neuseeland waren die deutschen Frauen in der Vorrunde ausgeschieden. Erstmals überhaupt so früh! Und das als amtierender Vize-Europameister, dem besten Abschneiden in MVTs rund fünfjähriger Amtszeit. Das Debakel lag einerseits am Verletzungspech: Die Außenverteidigerinnen wie Giulia Gwinn (FC Bayern) fehlten verletzt, immer wieder stießen die gegnerischen Teams über die wunden Flanken vor. Auf den 6:0-Auftaktsieg über Marokko folgte ein 1:2 gegen Kolumbien und ein 1:1 gegen Südkorea. Das Aus, auch wegen offensiver Ideenlosigkeit. „Was hier passiert ist, war natürlich nicht unser Anspruch“, sagte Kapitänin Alexandra Popp. Die Tränen flossen bei vielen Spielerinnen. Andererseits kam immer mehr auch eine Zerrüttung zwischen dem Team und der selbstbewussten MVT zum Vorschein, mit schweren Vorwürfen gegen ihre Trainerarbeit. Ein Stimmungsbild, von dem die DFB-Führung offenbar keinen blassen Schimmer gehabt hatte. „Gemeinsam werden wir diese Enttäuschung aufarbeiten“, sagte DFB-Präsident Bernd Neuendorf am Tag des Ausscheidens. Dazu sollte es nie kommen. Die Last des Amtes, die Last der WM, die Last des Debakels Down Under: MVT durchlitt offenbar einen Zusammenbruch, war wochenlang krankgeschrieben. Damit ist nicht zu spaßen. Dennoch gab sie bei einem Zahnärztekongress einen Vortrag – au backe! MVT rückblickend: „Im Nachhinein muss ich sagen: Ja, Fehler!“ DFB, MVT, ojemine. Und auch noch das: Erst wenige Monate vor der Weltmeisterschaft war der MVT-Vertrag bis 2025 verlängert worden. Eine teure Fehleinschätzung des DFB – und das in dessen Finanzsorgen. Nach dem Millionen-Minus 2022 drohen noch schauerliche Zahlen in 2023: Sportlicher Misserfolg bei Männern wie Frauen, zwei gefeuerte Bundestrainer und der DFBCampus gehen ins Geld. . . Übrigens: Auch WM-Sieger Spanien (1:0-Finalsieg gegen England) darf als großer Verlierer der WM gelten. Auf ewig verbunden mit dem Triumph bleibt der „Kuss-Skandal“: Verbandspräsident Luis Rubiales schmatzte bei der Siegerfeier Spielerin Jennifer Hermoso ab, wohl gegen deren Willen. Die Spielerinnen (und mit ihnen die Öffentlichkeit) solidarisierten sich mit Hermoso. Rubiales bockte, sprach von Einvernehmlichkeit – sein ganz eigenes Desaster. Die Fifa sperrte ihn 61 Tage später für drei Jahre. M. Wimösterer Die deutschen Frauen blamieren sich bei der WM in Down Under. Nach wochenlanger Farce folgt Entlassung der Bundestrainerin Die Tränen fließen: Die DFB-Frauen um Svenja Huth (l.) scheiden in der WM-Vorrunde aus. Bundestrainerin MVT muss später gehen. Fotos: dpa Darja Varfolomeev schreibt Sportgeschichte Mehr ging nicht. Darja Varfolomeev aus der Nähe von Stuttgart krönte ihre historische Gala-Vorstellung bei der WM in der rhythmischen Sportgymnastik mit ihrem fünften Gold in Valencia. Auch im olympischen Mehrkampf räumte die 16 Jahre alte Ausnahmeathletin ab. Die erfolgreichste deutsche Sportgymnastin war bereits in den vier Gerätefinals nicht zu schlagen gewesen und sendete ein beeindruckendes Signal vor den Olympischen Spielen in Paris. Diese Goldmedaille bedeute ihr „alles, alles“, sagte Varfolomeev danach. „Ich bin einfach sehr glücklich. Das ist unfassbar. Ich kann das nicht glauben.“ Fünf Triumphe bei einer einzigen WM waren in den vorigen sechs Jahrzehnten nur Sportlerinnen aus Russland, der Ukraine und Bulgarien gelungen. Vor Varfolomeev war Carmen Rischer mit dreimal Gold und dreimal Silber bei WMs in den 1970er-Jahren die erfolgreichste deutsche Gymnastin. Geboren wurde Varfolomeev übrigens in Sibirien. Die Faszination für die Sportgymnastik zeigte sie bereits mit vier Jahren in ihrer alten Heimat. Um ihren Traum zu verwirklichen, zog sie mit zwölf Jahren ohne ihre Eltern nach Deutschland. Da ihr Opa Alexander Deutscher war, konnte sie nun für Deutschland starten. Die erst 16-Jährige holt in der rhythmischen Sportgymnastik fünf Mal WM-Gold für Deutschland Varfolomeev. Foto: dpa Goldener Dauser Deutschlands Sportler des Jahres stammt aus der Kaderschmiede des TSV Unterhaching: Lukas Dauser. Der Turner holte Gold am Barren – etwas, was einem Deutschen zuletzt 1985 gelungen war. Fünf Jahre hatte der 30-Jährige an seiner technisch äußerst schwierigen Übung mit dem berühmtberüchtigten Tsolakidis gefeilt, geschuftet und nochmals geschuftet. Hatte Verletzungen in der beanspruchenden Sportart weggesteckt, in Zusammenarbeit mit einem Mentaltrainer die Ruhe in sich gefunden. Und so setzte er auf WM-Silber im Vorjahr diesmal in Antwerpen (Belgien) noch eins drauf. Ein wenig Aberglaube gehörte bei allem Fleiß auch dazu: Er trug die seit drei Jahren in Wettkämpfen erprobte (handgewaschene) Glücksunterhose, mit der er schon zuvor Titel gewonnen hatte. Zwischen dem WMTitel und der Ehrung zum Sportler des Jahres stand für den Sportsoldaten Dauser im Dezember ein weiteres Highlight an: die Flitterwochen. wim Der Turner aus Hachings Schmiede siegt am WM-Barren – und wird Sportler des Jahres Extraklasse: Dauser. imago SPORT 2023 kompakt Manchester City holt das Triple FUSSBALLDer ehemalige Bayern-Trainer Pep Guardiola schreibt mit Manchester City Geschichte. Als erster Chefcoach der Fußball-Historie machte der Katalane das große Triple aus Meisterschaft, nationalem Pokal und Champions League zum bereits zweiten Mal nach 2009 mit dem FC Barcelona perfekt. Rodri machte das Triple für Manchester, die den FC Bayern im Viertelfinale ausgeschaltet hatten, mit seinem 1:0-Siegtreffer im Finale der Königsklasse gegen Inter Mailand perfekt. „Ein großer, ein großartiger Tag für diesen Verein. Ich bin sehr, sehr glücklich“, sagte Guardiola. Die Angst vor dem Sommer-Albtraum Schottland, Ungarn, die Schweiz – die Vorrundengegner der deutschen Nationalelf bei der Heim-EM im Sommer 2024. „DFB-Dusel!“ oder „wieder mal Losglück!“, so die Kommentare. Früher wäre das so gewesen, in den guten, alten Zeiten der wichtigsten Mannschaft des Landes. Heutzutage urteilt man defensiver, vorsichtiger. Es sei „keine Todesgruppe“, sagte Bundestrainer Julian Nagelsmann nach der Auslosung in Hamburg: „Eine interessante Gruppe, in der wir uns durchsetzen wollen.“ Interessant, ja. Denn was unterscheidet das zugeloste Trio zur Ukraine, Polen, der Türkei oder Österreich? Qualitativ kaum etwas. Gegen diese vier Gegner konnte die Nationalelf im Jahr 2023 nicht gewinnen, lediglich ein Remis gegen die Ukraine erzielen (3:3). Zu den drei Pleiten kamen noch weitere drei Niederlagen (Belgien, Kolumbien, Japan), ein Remis (Mexiko). Auf der Habenseite: lediglich drei Siege. Unterm Strich: 17:22 Tore, drei Bundestrainer, viel Frust und Debatten, keinerlei EM-Euphorie. Ein verlorenes Jahr für das DFB-Team, dieses Zwischenjahr, das man ohne Druck, sprich ohne Qualispiele, bestreiten musste, da man als Gastgeber für die EM 2024 gesetzt ist. Fluch oder Segen? Beides! Bei Freundschaftsspielen fehlt einigen Akteuren der Kick. Andererseits: Hätte sich diese schwächelnde Nationalelf in der Quali wirklich durchgesetzt? Nach der total verkorksten WM in Katar mit dem erneuten Vorrunden-Aus wie schon 2018 in Russland hielt der DFB an Bundestrainer Hansi Flick fest. Geopfert wurde DFB-Direktor Oliver Bierhoff, zum Nachfolger Rudi Völler auserkoren – als Stimmungsgarant, als Euphorisierer der Massen. Den Fehler mit Flick hatte man mit dessen Vorgänger Joachim Löw bereits 2018 gemacht. Eine zu späte Trennung, eine zu naive Hoffnung auf Besserung. Zum Auftakt von Flicks zweiter Chance gab es im März ein 2:0 gegen Peru, der erste Dämpfer folgte drei Tage später: Als es gegen Belgien nach neun Minuten 0:2 stand, befürchtete man eine demütigende Niederlage – Endstand 2:3. Die taktisch-spielerischen und mentalen Probleme (fehlende Energie, Euphorie sowie Stressresistenz) wurden aufgeschoben. Im Juni folgte ein Länderspiel-Dreierpack mit noch mehr Ernüchterung, das 0:2 gegen Kolumbien als negativer Höhepunkt. Flick raus? Äh, nein. Denn, wie gehabt: Die taktisch-spielerischen und mentalen Probleme (siehe oben) wurden wieder aufgeschoben. Das 1:4 gegen Japan Anfang September geriet so desolat, dass der zaudernde DFB sogar vor dem Duell mit Frankreich drei Tage später handelte: Flick raus! Sportdirektor Völler übernahm für ein Spiel und schon wuppte es: 2:1 gegen den Vize-Weltmeister, Bonsai-Euphorie, immerhin. Mit dem nächsten Bundestrainer Julian Nagelsmann, im März bei Bayern überraschend entlassen, versprach man sich jugendlichen Schwung. Auf der US-Reise im Oktober glückten Teil-Erfolge, ein 3:1 gegen die USA und ein 2:2 gegen Mexiko. Doch im tristen November verspielte der 36-Jährige mit zu vielen Experimenten (Flügelstürmer Kai Havertz als Linksverteidiger?!) jegliche Vorfreude: erst das 2:3 gegen die Türkei, dann das 0:2 in Wien gegen total überlegene Österreicher. Und nun? Nagelsmann machte „zu viele Einzelkämpfer“ in seiner Mannschaft aus und überlegte laut: „Vielleicht müssen wir auf zwei Prozentpunkte Talent verzichten und zwei mehr ‘Worker’ reinwerfen.“ Wasserträger, Balldiebe, Mentalitätsmonster. Schon in den März-Tests gegen Frankreich und die Niederlande (ganz schön ambitionierte GegnerAuswahl!) das neue Stilmittel? Nagelsmanns Vertrag läuft nur bis zum (bitteren?) Ende der EM. DFB-Präsident Bernd Neuendorf versicherte: „Wir halten das durch. Die nächsten sechs Monate muss er volle Rückendeckung haben.“ Damit das so erhoffte Sommermärchen-Revival von 2006 nicht zum Heim-Albtraum 2024wird. Patrick Strasser Bei der Heim-EM 2024 trifft Deutschland in der Gruppenphase auf Schottland, Ungarn und die Schweiz. Nach den zuletzt desolaten Vorstellungen der Nationalelf sind auch diese Gegner eine Hürde Bundestrainer Julian Nagelsmann (l.), der Nachfolger von Hansi Flick, hat in der deutschen Nationalmannschaft „zu viele Einzelkämpfer“ ausgemacht. Fotos: Christian Charisius/dpa (2), firo/Augenklick SPORT 2023 kompakt Messi sticht Haaland aus FUSSBALL Lionel Messis achter Streich: Der Argentinier, der sein Heimatland bei der Winter-WM in Katar zum Weltmeister-Titel geführt hat, ist zum achten Mal in seiner Karriere mit dem Ballon d’Or ausgezeichnet worden. Sein Vorsprung auf den Zweitplatzierten Erling Haaland, den Torgaranten des Triple-Siegers Manchester City, war riesig. Messi erhielt 65 Stimmen, Haaland 21. Doch der Ärger war groß. „Die Wahl ist eine Farce, obwohl ich Messi-Fan bin“, wetterte Lothar Matthäus bei Sky. „Für mich führt kein Weg an Haaland vorbei.“ Münchens Nr. 2 Meister in der Regionalliga Bayern – aber auch Aufstieg? Lange gab es Unklarheiten über den Erhalt der Lizenz und die Teilnahme an den Aufstiegsspielen bei der SpVgg Unterhaching. Am Ende schaffte man die Voraussetzungen außerhalb des Platzes, und auf dem Spielfeld macht man die Zugehörigkeit zur Dritten Liga durch Siege gegen Energie Cottbus klar. Und die Hachinger etablierten sich gleich als die Nummer 2 im Münchner Fußball-Kosmos. Im DFB-Pokal kegelte man in der 1. Runde sensationell Bundesligist FC Augsburg aus dem Bewerb und auch in der Liga sorgte das Team von Trainer Marc Unterberger für Furore, blieb die ersten sechs Spieltage unbesiegt. Gerade die schwächelnden Löwen mussten erleben, dass die Hachinger ihnen sportlich den Rang ablaufen. Beim direkten Kräftemessen setzten sich die Hachinger Ende November im Grünwalder mit 1:0 durch. „Das tut bitter weh, Unterhaching im eigenen Stadion so jubeln zu sehen“, sagte Sechzigs Tim Rieder. kby Unterhaching schafft den Aufstieg in die Dritte Liga und schlägt auch gleich die Löwen Fetsch (l.) und Keller bejubeln den Sieg über Sechzig. sampics/AK

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