Jahresrückblick 2023

26 DAS WAR 2023 ABENDZEITUNG MITTWOCH, 27. DEZEMBER 2023 WWW.AZ-MUENCHEN.DE JAN FEB OKT NOV MRZ T2023 B APR MAI JUN AUG SEP A JUL DEZ Ein mutmaßlicher Islamist ersticht in Paris nahe dem Eiffelturm einen deutschen Touristen und verletzt zwei Menschen. 2. Dezember In der internationalen PisaStudie schneiden deutsche Schüler in Lesen, Mathe und Naturwissenschaften so schlecht ab wie nie. 5. Dezember Nach acht Jahren PiS-Regierung und wochenlanger Verzögerung des Machtwechsels wird Polens Ministerpräsident Donald Tusk vereidigt. 11. Dezember „Krisenmodus“ ist „Wort des Jahres“ 2023, erklärt die Gesellschaft für deutsche Sprache. Krise sei seit 2020 ein Dauerzustand geworden. 8. Dezember Heftige Schneefälle und Glatteis verursachen Verkehrschaos und Unfälle in Bayern. Um München sind Bahnstrecken gesperrt, der Flughafen stellt den Betrieb ein. 2. Dezember Über eine Million Beschäftigte im öffentlichen Dienst der Länder erhalten nach Streiks 3000 Euro Inflationsausgleich. Von November 2024 an dann monatlich 200 Euro mehr. 9. Dezember Otto und der Rausschmiss Noch im Juni gab es ein heftiges Blitzlichtgewitter im Bernrieder Buchheim Museum. Direktor Daniel J. Schreiber eröffnete gemeinsam mit dem Komiker und Künstler Otto Waalkes dessen Ausstellung zum 75. Geburtstag. Doch schon im August folgte ein ganz anderer Knall: Am 11. des Monats, an Schreibers 58. Geburtstag, kam mit den Glückwünschen der Stiftung des Buchheim Museums die Kündigung. Mit Schreiber musste auch die neue Kommunikationschefin Claudia Lamas Cornejo gehen. Für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit hätte es im Haus keine Basis mehr gegeben, begründete Walter Schön, der Vorsitzende der Stiftung, die Entlassung. Man wäre gerne mit Schreiber „weiter in die Zukunft gegangen“, Schön bezeichnete die Trennung jedoch als unvermeidlich: Die Ungleichbehandlung von Mitarbeitern aus persönlichen Gründen sei pflichtwidrig gewesen und habe zu einer erheblichen Störung des Betriebsfriedens geführt. Diese sehr allgemeine Begründung erfuhr der geschasste Direktor aus der Zeitung und zog gemeinsam mit der Pressechefin Lamas Cornejo vor Gericht. Die Güteverhandlung vor der Weilheimer Kammer des Arbeitsgerichts München ist gescheitert, der Rechtsstreit mittlerweile in die zweite Runde gegangen. Schreiber, der sich einem pauschalisierten Vorwurf ausgesetzt sieht, will keine Abfindung, sondern seiner alten Arbeit im Museum nachgehen. Tatsächlich hat sich das Haus am Starnberger See durch Schreiber geöffnet, der Austausch mit anderen Museen war plötzlich möglich – das hatten Lothar Günther Buchheim und seine Frau Diethild strikt abgelehnt und per Satzung verhindert. Zudem überzeugten die Ausstellungen so sehr, dass Schreiber 2015 mit einem AZ-Stern des Jahres ausgezeichnet wurde. Es war überhaupt erstaunlich, wie leicht dem Kunsthistoriker das Jonglieren zwischen den hochkarätigen Expressionisten, Karussellpferden, Briefbeschwerern und dem endlosen Krimskrams der Sammlung Buchheims fiel. Das Programm ist so attraktiv, dass man in Bernried selbst unter der Woche auf ein gut gefülltes Haus trifft. Schreiber bewies ein Händchen für sinnfällige Hängungen und Künstlerkombinationen. Seine oft ungewöhnlichen Konzepte waren dazu angetan, ein breiteres Publikum anzusprechen, ohne Scheu vor populären Themen. Weniger glücklich war dagegen die Zusammenarbeit mit dem Sammler Hermann Gerlinger. Der zog nach einem vielversprechenden Schaulaufen seine als Dauerleihgabe gedachte Kollektion hochkarätiger Brücke-Werke wieder zurück und ließ sie vom Auktionshaus Ketterer versteigern. Schreiber hat das Haus seit 2013 geleitet und sich bald für eine Erweiterung des Museums starkgemacht. Die Pläne des auf rund 14 Millionen Euro geschätzten Anbaus stellte am 15. September Kunstminister Markus Blume vor – ohne Schreiber. Allerdings bekam der Ex-Direktor wenige Tage zuvor viel Unterstützung aus dem Bernrieder Umfeld: In einem offenen Brief an den Vorsitzenden der Buchheim-Stiftung forderte der Freundeskreis des Museums, die Kündigung Schreibers zurückzunehmen. Unterzeichnet haben die Landrätin von Weilheim-Schongau Andrea Jochner-Weiß, Bernrieds Bürgermeister Georg Malterer sowie der Künstler Bernd Zimmer, Gründer der Pollinger Säulenhalle „Stoa169“, und der Sammler Joseph Hierling. Der stiftete einen Teil seiner Kollektion des Expressiven Realismus ans Buchheim Museum, auch das hat den Anbau forciert. Wie es weitergeht? Schreiber und die Stiftung waren dazu aufgefordert, konkret Stellung zu beziehen. Eine gerichtliche Entscheidung ist frühestens im Frühjahr zu erwarten. Im Buchheim Museum am Starnberger See ist für den Direktor Daniel J. Schreiber kurz nach der Eröffnung der erfolgreichen Waalkes-Ausstellung ganz plötzlich Schluss Der Komiker und Künstler Otto Waalkes (links) und der damalige Direktor des Buchheim Museum Daniel J. Schreiber bei der Eröffnung von „Otto – die Ausstellung“ im Juni im Buchheim Museum in Bernried. Die Schau hat dem Haus 100 000 Besucher beschert. Foto: Felix Hörhager/dpa Viel Lärm um wenig Wir durften wieder viel lernen im vergangenen Jahr, zum Beispiel was eine „Row Zero“ ist und was Rammstein, aber vor allem Sänger Till Lindemann, unter einer Aftershow-Party versteht, für die man eine Castingdirektorin engagiert hatte. Noch bevor die Band im Juni vier Konzerte im Olympiastadion gab vor insgesamt 240 000 Fans, erhitzten Vorwürfe gegen Lindemann wegen angeblicher sexueller Übergriffe die Gemüter. Lindemann bestritt allerdings alle Vorwürfe, später wurden auch Ermittlungsverfahren gegen Lindemann eingestellt. Das Münchner Kreisverwaltungsreferat ließ wenige Tage vor den Konzerten per Veranstaltungsbescheid im Olympiastadion „den Aufenthalt von Konzertbesucher*innen in einer sogenannten ,Row Zero’ (Bühnengraben)“ verbieten. Und die Band verzichtete auf einen umstrittenen Song, die sonst eingesetzte Penis-Kanone, und in München wurde zudem von der Band eine Firma damit beauftragt, sogenannte „Awareness Teams“ als Ansprechpartner aufzustellen. Es waren Personen auf dem Konzertgelände unterwegs, die als Ansprechpartner gekennzeichnet waren. Außerdem gab es ein Zelt, das als „Safe Space“ fungieren sollte, also als Anlaufstelle für Konzertbesucher, die Hilfe benötigten. Vor den vier Konzerten gab es schließlich kleine Proteste von Aktivisten im Olympiapark, die Rammstein-Fans überzeugen wollten, die Konzerte zu boykottieren. Man kann nicht behaupten, dass sie damit große Erfolge erzielt haben. Rammstein spielten gleich vier ausverkaufte Konzerte im Münchner Olympiastadion – allen Protesten zum Trotz Aktivistinnen demonstrieren vor Beginn des Konzertes der Band Rammstein vor dem Olympiastadion. Foto: Sven Hoppe/dpa KULTUR kompakt Beatles & Stones & Lindenberg BADEN-BADEN Dass die Beatles in den Charts vor den Rolling Stones liegen, kennt man seit sechs Jahrzehnten. Dass aber beide Bands neue Musik veröffentlichten, war eine Sensation im Musikjahr 2023. Die Beatles brauchten dazu technische Unterstützung, um die Stimme des vor 43 Jahren erschossenen John Lennon aus einem damals liegengebliebenen Song herauszufiltern. Die Stones veröffentlichten mit „Hackney Diamonds“ ihr erstes Studioalbum seit 18 Jahren. Und Udo Lindenberg (77) belegte im Spätherbst seiner Karriere erstmals die Poole Position der deutschen Charts. Sein gemeinsam mit Apache 207 veröffentlichter Song „Komet“ brach alle Rekorde, stand insgesamt 21 Wochen lang an der Chartspitze und verdrängte damit den bisherigen Rekordhalter Matthias Reim („Verdammt, ich lieb’ Dich“). Udo Lindenberg. Foto: Marcus Brandt/dpa

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