Jahresrückblick 2023

4 DAS WAR 2023 ABENDZEITUNG MITTWOCH, 27. DEZEMBER 2023 WWW.AZ-MUENCHEN.DE 5 DAS WAR 2023 ABENDZEITUNG MITTWOCH, 27. DEZEMBER 2023 WWW.AZ-MUENCHEN.DE JAN FEB OKT DEZ NOV MRZ 2023 APR MAI JUN JUL I AUG N SEP 0 3 In deutschen Bussen und Bahnen endet die Maskenpflicht und damit eine der am längsten durchgehend geltenden Corona-Maßnahmen. 2. Februar Pop-Superstar Harry Styles („As It Was“) räumt bei den Brit Awards ab. Sein Album „Harry’s House“ wird Album des Jahres. 11. Februar Der Zyklon „Gabrielle“ verwüstet auf der Nordinsel Neuseelands Häuser, Straßen und Brücken. In den Wassermassen sterben acht Menschen. 13. Februar Fast ein Jahr nach Beginn des russischen Angriffskriegs besucht Joe Biden unangekündigt und erstmals als US-Präsident die Ukraine. 20. Januar Bei einem Bootsunglück mit Migranten an Süditaliens Küste kommen mindestens 86 Menschen ums Leben. Ihr Fischkutter war auseinandergebrochen. 26. Februar Bei einem Zugunglück kommen in Griechenland 57 Menschen ums Leben. Ein Güterzug war bei Larissa mit einem Personenzug zusammengestoßen. 28. Februar In Frankreich stellen sich 1,3 Millionen Menschen der Rentenreform entgegen – das Eintrittsalter soll von 62 auf 64 Jahre angehoben werden. 7. März Deutschlands letzter großer Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof verkündet, dass 52 seiner noch verbliebenen 129 Warenhäuser geschlossen werden. 13. März Der Internationale Strafgerichtshof erlässt wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen Haftbefehl gegen Wladimir Putin. 17. März Der britische König Charles III. und seine Frau Camilla treffen zu einem Staatsbesuch in Deutschland ein – noch vor seiner Krönung am 6. Mai. 29. März Nach enttäuschenden Ergebnissen trennt sich der FC Bayern von Trainer Julian Nagelsmann. Nachfolger wird Thomas Tuchel. 24. März In Hamburg erschießt ein 35-Jähriger nach einer Gemeindeversammlung der Zeugen Jehovas sieben Menschen, darunter ein ungeborenes Kind. Danach tötet er sich selbst. 9. März IN MIT RAD ZUR ARBEIT: 2023 treten die Münchner werktags so viel in die Pedale wie nie. OUT S-BAHN-WARTEREI: Das nervt – und lockt zurück zum eigenen Auto. ZAHL 761 349 Autos sind Anfang 2023 in München gemeldet, 142 000 mehr als 2011. Damit ist ein neuer Höchststand erreicht. HERR HIRNBEISS Zeichnung: Fr. Bilek „A bisserl ruhiger kannts scho amoi wern. . .“ MONACO Omas Mindset Rumms (nicht zu verwechseln mit Doppelwumms) – und schon ist wieder ein Jahr vorbei. Für die Abendzeitung war freilich das Jubiläum der Höhepunkt. 75 Jahre! Huch, so alt schon? Ich halte es da wie meine Oma. Nicht, dass ich der AZ einen Rollator verordne. Es geht um das Mindset – was meine Oma (89) jetzt eventuell nicht versteht, weil sie in ihrem Leben zwar schon viel mitgemacht hat, aber eben keinen Englisch-Unterricht. Also wie man über etwas denkt, verstehst, Oma? In dem Fall übers Alter. Im März wird sie 90. Seit Wochen freut sie sich schon auf die Party, die sie dann feiern will. Nach vorn schauen, auf besondere Momente fokussieren, auch mal sich selbst zelebrieren – ein nettes Mindset. Das wünsche ich der AZ auch: Dass wir mit 90 noch richtig Lust aufs Schreiben, Informieren und, ja, auch aufs Feiern haben. Und unsere Leser freilich aufs Schmökern. Bestenfalls hält meine Oma auch noch so lange durch. Das wäre eine Story wert. Rosemarie Vielreicher Kreative Nutzung Etliche Gebäude in der Stadt stehen leer, auch krisenbedingt. Aber aus viel Raum entwickeln Zwischennutzungsmacher auch 2023 neue Ideen für Kunst, Kultur und Feste. Der leere Gasteig wird zur „Fat Cat“, auf deren Dachterrasse feiern die Münchner im Sommer mit Blick über die Stadt. In Laim wird aus einem Restaurant die quirlige „Perle“, am Hanns-Seidel-Platz startet das „Neuperland“. Die spektakulärste Idee aber scheitert. Das „Lovecraft“ im ehemaligen Galeria am Stachus darf genau einen Tag öffnen. Dann ist Schluss. Wie das weitergeht, wird man nächstes Jahr sehen. Die Zwischennutzung „Lovecraft“ ist gescheitert.Hannes Magerstädt München: Beben am Bau Dreizehn lange Jahre können Bauträger und BauInvestoren in München fette Gewinne einstreichen. Wohnungen und Häuser gehen weg wie warme Semmeln, obwohl die Preise für Immobilien ständig steigen. Die Nachfrage bleibt groß, da Kredite für sehr niedrige Zinsen zu haben sind. Das ist 2023 vorbei. Nach dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine vervierfacht die EZB die Hypothekenzinsen. Zudem steigen die Kosten für Energie, BaumateriaSchließlich muss der bekannte Münchner Projektentwickler Euroboden (Hochbunker, Derzbachhof) Insolvenz anmelden. Am Ende des Krisenjahres im Baugewerbe gibt es dann noch ein regelrechtes Beben: Die Signa Holding des Tiroler Immobilieninvestors René Benko meldet Insolvenz an, außerdem Sport Scheck und die Immobiliensparte Prime Selection. Zu Letzterer gehören die Alte Akademie, Oberpollinger und der frühere Hertie am Bahnhof. Wann oder wie es nun weitergeht, kann derzeit niemand sagen. Ungewiss ist auch die Zukunft der Galeria Mitarbeiter. Die Warenhauskette ist ebenfalls ein Teil der Signa. Nina Job Hier sollen Wohnungen entstehen, aber es tut sich gar nichts. Nur der Pegel des Wassers, das sich in der Grube sammelt, hebt und senkt sich je nach Wetterlage. Dem Immobilienentwickler M-Concept fehlen Käufer, damit er überhaupt einen Bankkredit bekommt, um loslegen zukönnen. Auch bei einem anderen Projekt von M-Concept hakt es: Im Paseo Carré an der Landsberger Straße Ecke Offenbachstraße können Käufer, die sehr viel Geld bezahlt haben, nicht termingerecht einziehen. Still steht auch eine riesige Baustelle am Nordbad. Dort, wo einst der Karstadt stand, soll ein neues Geschäftshaus entstehen. Einen Rückzieher macht der Investor Sedlmayr Grund. Er gibt im Juli bekannt, dass er vorerst nur 254 statt 1066 Wohnungen auf dem Grund der ehemaligen Bayernkaserne baut. lien und Handwerkerleistungen. Potenzielle Käufer halten sich nun zurück, Bauen ist deutlich teurer geworden. Die Krise erwischt auch München 2023 voll. Anfang des Jahres gehen die ersten Bauträger pleite. Andere versetzen sich in einen Passiv-Modus und warten erst einmal ab. Die Zahl der Bauanträge bricht um 31 Prozent im Vergleich zum Vorjahr ein. Und nicht mal die Hälfte derjenigen, die 2023 eine Genehmigung bekommen, beginnen zu bauen. Von Bauboom keine Spur mehr. Eine Folge: Immer mehr Münchner balgen sich um freigewordene Mietwohnungen. Die Baukrise ist mittlerweile an vielen Ecken in der Stadt sichtbar: Grundstücke liegen brach, Baustellen stehen still. Ein Beispiel ist die Baugrube an der Alramstraße, das „Sendlinger Loch“. Pleiten, Bauruinen, Brachen: 2023 ist ein rabenschwarzes Jahr für alle Investoren, die bauen wollen. Am Ende trifft es einen ganz Großen Das Sendlinger Loch läuft immer wieder voll Wasser. Bauträger pleite – 31 Wohnungen zur Hälfte fertig. Am Nordbad, wo früher ein Karstadt stand, gibt es ebenfalls Probleme. Seit Monaten wird nicht weitergebaut. Fotos: iko, Loeper, job Im November hat es einen der größten Immobilienentwickler Europas zerlegt: die Signa von René Benko. Die Arbeit auf allen Baustellen, auch an der Alten Akademie in München, wurde eingestellt. Imago/F. Hoermann, S. Simon BRAUCHT’S DES? MUC – das neue Kennzeichen Mitten im Sommer, etwa zum Halbjahr, gab es das erste Gerücht. München solle ein neues zweites Kennzeichen-Kürzel bekommen, neben dem „M“. Grund: Die Kombinationen mit dem bisherigen M-Kennzeichen gingen langsam, aber sicher zu Ende, so das KVR. Dann ging es schnell. Am 1. Dezember, als das Schneechaos in München langsam einsetzte, bekam der erste Münchner sein MUC-Schild in der Zulassungsstelle Eichstätter Straße – mit der Geburtstagskombination 911. inc So schaut es aus, das neue MUC-Kennzeichen. dpa Zoff um Verlust vieler Parkplätze Aus 41 Parkplätzen in der Kolumbusstraße werden eine Wiese, Sandkästen und Freiflächen. Das bringt viel Streit. cm Parkplätze zurück wollen, laufen Sturm. In der Straße fliegen Eier, Befürworter und erbitterte Gegner beschimpfen sich gegenseitig. Selbst OB Dieter Reiter (SPD) lästert: „Ideologisch Parkplätze zu streichen, damit sie weg sind, hilft niemandem“, teilt er im Juli gegen den grünen Koalitionspartner aus. Und rügt auch die eigenen Genossen, die mitgestimmt haben, dass an der Elisenstraße auf 500 Metern ein „Luxusradweg“ für 13,8 Millionen Euro gebaut werden soll – auch auf Kosten von 75 Parkplätzen. Eine Anwohner-Klage gegen das Kolumbusstraßenprojekt landet vorm Verwaltungsgericht. Der Verkehrsversuch, der bis 31. Oktober hätte laufen sollen, wird eine Woche früher vorzeitig abgebrochen. Und auch der Luxusradweg kommt noch mal auf den Prüfstand. Grün-Rot beschließt – auch mangels Geld –, künftig einfacher und günstiger zu bauen. Beim Umsetzen der zwei Bürgerentscheide zum Radwegausbau (aus 2019) kommt die Stadt ohnehin nur schleppend voran. Von 65 Wunsch-Strecken werden 2023 nur zwei Abschnitte fertig und zwei sind begonnen. Keine Glanz-Bilanz. Irene Kleber Autos raus aus der Innenstadt, dafür mehr Flanierplatz für Fußgänger und breitere Radwege – die grün-rote Verkehrswende bringt auch 2023 viel Streit in die Stadt. Der eskaliert am TUM-Forschungsprojekt aqt (autoreduziertes Quartier) in der Au und Obergiesing – und erregt deutschlandweit Aufsehen. Denn Mitte Juni streicht die Stadt dafür in der Kolumbus- und Landlstraße je 40 Parkplätze und sperrt Straßenstücke. Stattdessen werden Hochbeete und Sitzmöbel aufgebaut und Rollrasen verlegt. Vor Schlafzimmerfenstern steht plötzlich ein Riesen-Sandkasten. Anwohner, die sich übergangen fühlen, Party- und Kinderlärm beklagen und ihre Hunderte Stellplätze baut Grün-Rot 2023 ab. Der Streit eskaliert an der Kolumbusstraße Ein 13,8-Millionen-Euro-Radweg an der Elisenstraße kommt erst einmal nicht. dpa Dauersommer und Schneeberge Schneechaos im Dezember: Arbeiter rücken dem Eis an einer Haltestelle mit leistungsstarken Bohrhämmern zuleibe. MVG München Beginn der Industrialisierung in die Statistik eingehen. Anfang Dezember kommt dann der erste massive Wintereinbruch mit extremen Schneemengen auch in München. Beim ÖPNV geht plötzlich nichts mehr. Vor allem die Trambahnen und die S-Bahnen sind tagelang blockiert. Experten warnen, dass die extremen Wetterlagen mit Hitze, starken Regen- und heftigen Schneefällen zunehmen werden. RalphHub Der Juni startet in München mit einer Hitzewelle, der Juli und August sind dagegen eher wechselhaft, der Herbst ist viel zu trocken – das alles lässt ahnen, wo in kommenden Jahren die Reise in Sachen Klimaerwärmung hingeht. In der zubetonierten Stadt ist es zudem noch ein paar Grad heißer als im luftigeren Münchner Umland. 2023 wird laut dem EUKlimawandeldienst Copernicus als das wärmste Jahr seit MÜNCHEN 2023 kompakt Führungschaos bei „Münchner Wohnen“ MÜNCHEN Den Plan der Stadt, die eigenen Wohnungsbaugesellschaften Gewofag und GWG zur „Münchner Wohnen“ mit rund 70 000 Wohnungen zu fusionieren, begleiten einige Führungs-Turbulenzen. Erst stolpert Gewofag-Chef Klaus-Michael Dengler über eine Gutachten-Affäre, dann murrt die Rathaus-Opposition, dass SPD-Stadtrat Christian Müller einen Geschäftsführerposten bekommt. Schließlich wirft CEO Andreas Lehner nach nur einem Monat seinen Job gleich wieder hin. Die Fusion soll trotzdem zum 1. Januar 2024 kommen. Stammstrecken-Debakel MÜNCHEN2026 hätte die Zweite Stammstrecke fertig sein sollen. Inzwischen ist die Rede von 2038 und kosten wird es wohl einige Milliarden mehr. Wer ist schuld? 2023 war geprägt von einem Untersuchungsausschuss, in dem der einst zuständige Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) von Erinnerungslücken sprach und Ministerpräsident Markus Söder (CSU) die Bahn beschuldigte. Mord an Obdachlosem (78) geklärt ENGLISCHER GARTEN Ein 56-jähriger Obdachloser sitzt in U-Haft. Er soll unter der Kleinhesseloher Brücke einen obdachlosen Mann (78) getötet haben. Protestzentrum München Diesem Lkw-Fahrer langt’s: Er tritt einen Klimaaktivisten, der in der Von-der-Tann-Straße am Boden liegt. Foto: Daniel von Loeper Aktivisten der „Letzen Generation“ kündigen im Sommer an, München zu einer Protesthochburg zu machen. Am 24. August eskaliert die Lage fast: Zwölf Straßenblockaden in der ganzen Stadt zählt die Polizei, 200 Beamte sind im Einsatz und nehmen die Personalien von 80 Klimaklebern auf. Etliche Autofahrer verlieren schier die Nerven, ein Lkw-Fahrer tritt sogar zu. Landtagswahl-Roulette Große Enttäuschung bei SPD und FDP, Erleichterung bei Grünen und CSU: So lässt sich die Stimmungslage nach der Landtagswahl am 8. Oktober in München zusammenfassen. Die FDP wird ganz aus dem Landtag herausgewählt. Aber auch für die SPD läuft es nicht gut – selbst im seit Jahrzehnten SPD-regierten München stürzen die Genossen auf 12,1 Prozent ab. Die Abgeordnete Diana freuen: Der frühere Personalreferent der Stadt, Alexander Dietrich (CSU), holt das Direktmandat in Moosach. Auch Julia Post, die bis dahin für die Grünen im Stadtrat saß, schafft den Sprung in den Landtag. che Stachowitz, die für die SPD in Moosach angetreten war, schafft es mit diesem Ergebnis nicht mehr ins Maximilianeum. 15 Jahre hatte sie dort Politik gemacht. Dafür darf sich ein anderer Grüne und CSU können sich über ihre Ergebnisse in München freuen. Für die SPD läuft’s bitter Nach 15 Jahren im Landtag raus: Diana Stachowitz (SPD). SPD Früher Referent, jetzt im Landtag: Alexander Dietrich, CSU. S.Müller Aus dem Stadtrat in den Landtag: die Grüne Julia Post. Grüne Bürgermeisterin wirfthin Völlig überraschend, auch für die eigenen Leute, verkündet die grüne Bürgermeisterin Katrin Habenschaden im Oktober, dass sie ihr Amt niederlegt, die „Belastung“ habe „Spuren hinterlassen“. Sie wechselt zur Deutschen Bahn. Ihr Nachfolger wird der grüne Fraktionschef Dominik Krause(siehe S. 2). iko Katrin Habenschaden. loe

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