Jahresrückblick 2023

10 DAS WAR 2023 ABENDZEITUNG MITTWOCH, 27. DEZEMBER 2023 WWW.AZ-MUENCHEN.DE JAN FEB OKT NOV MRZ T2023 B APR MAI JUN AUG SEP A JUL DEZ Der Tübinger OB Boris Palmer tritt aus der Partei Bündnis 90/ Die Grünen aus. Palmer hatte immer wieder mit strittigen Aussagen polarisiert. 1. Mai Mitglieder des Remmo-Clans werden über drei Jahre nach dem Juwelendiebstahl aus dem Grünen Gewölbe in Dresden zu Haftstrafen verurteilt. Sie gehen in Revision. 16. Mai Linksextremistin Lina E. wird in Dresden nach Angriffen auf Rechtsextreme zu über fünf Jahren Haft verurteilt. Es kommt zu Ausschreitungen. 31. Mai Klimaaktivisten schütten schwarze Flüssigkeit in den Trevi-Brunnen in Rom – sie protestieren gegen Subventionen für fossile Brennstoffe. 21. Mai Loreen gewinnt zum zweiten Mal für Schweden den Eurovision Song Contest. Bei der Liveshow in Liverpool landet Deutschland mit Lord Of The Lost wieder nur auf dem letzten Platz. 13. Mai Ugandas Präsident Yoweri Museveni unterzeichnet ein Gesetz gegen homosexuelle Handlungen, das auch die Todesstrafe vorsieht. 29. Mai Das Ende der Atomkraft und der Gasheizung Dieses Jahr könnte den Beginn eines neuen Energiezeitalters markieren: das Ende der Atomkraft und auch das zumindest politisch eingeleitete Ende der Gasversorgung. Dass beides ins selbe Jahr fällt, hängt auch unmittelbar zusammen: Eigentlich sollte bereits Ende 2022 das letzte Atomkraftwerk vom Netz gehen, doch die ausgebliebenen Gaslieferungen Russlands machten eine kurzzeitige Verlängerung erforderlich. Bis zuletzt war der Atomausstieg umstritten: Die Union hatte das ursprünglich unter ExKanzlerin Angela Merkel (CDU) mitbeschlossene Aus für verfrüht erklärt. Und auch die FDP wollte die Atomkraftwerke für Notfälle in Reserve halten. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) warb für einen Weiterbetrieb des Kraftwerks Isar 2 in Landesverantwortung. Auf einer Demo in Erding sagte er, der Ausstieg aus der Atomenergie sei ein Fehler gewesen – und „es fehlt der Strom, um komplett auf die Wärmepumpe umzusteigen“. Die am Ende wesentlich größere und hitzigere Energiedebatte sollte auf ebendieser Veranstaltung vergangenen Sommer ihren Höhepunkt finden: das umstrittene „Heizungsgesetz“, das Deutschland perspektivisch unabhängig vom Gas beim Heizen machen soll, wurde dort von 13 000 Demonstranten scharf kritisiert. Im Mittelpunkt der Diskussion: die Wärmepumpen-Technologie und die Finanzierung des Gesetzes. Besonders innerhalb der Ampel gab es Zoff: Die FDP hatte den Zeitplan in Frage gestellt, Grüne und SPD widersprachen. Das letztendlich nicht wie angedacht vor der Sommerpause, sondern erst im September verabschiedete Gesetz untersagt den Einbau neuer Öl- und Gasheizungen in Neubaugebieten ab 2024. Gemäß dem Gebäudeenergiegesetz (GEG) müssen ab dem neuen Jahr neu installierte Heizungen zu 65 Prozent mit Erneuerbaren Energien betrieben werden. In der aufgeheizten Debatte kursierten viele Gerüchte um das Gesetz: So hieß es unter anderem, dass alle Heizungen ausgetauscht werden müssten. In Wirklichkeit darf selbst im Falle einer Reparatur die alte wieder instandgesetzt werden. Doch die jüngste Haushaltsdebatte hinterlässt auch hier ihre Spuren: So soll etwa der Geschwindigkeitsbonus für den Heizungsaustausch maximal 20 Prozent statt 25 Prozent betragen. man Die letzten Reaktoren sind abgeschaltet worden. Und Gas soll weniger Gebrauch finden Eine Wärmepumpe. Foto: dpa Das Jahr 2023 war ein Jahr der Arbeitskämpfe. Verdi, EVG, GDL – sie alle haben mächtig Stunk gemacht. Der Anlass: die anhaltende Inflation und die dadurch schwindende Kaufkraft. Die Folge: viel Warterei, Home-Office und lange Gesichter bei Millionen Reisenden in Deutschland. Zuerst hatte es die Flugpassagiere getroffen: Nach zwei erfolglosen Verhandlungsrunden zwischen Verdi und dem Bundesverband der Luftsicherheitsunternehmen (BDLS) rief die Gewerkschaft Ende Februar zum Streik auf. Der Höhepunkt am 27. März: Allein in München waren 200 000 Passagiere betroffen. Bis Mitte Mai hielt der Konflikt an. Das Ergebnis für die Streikenden: höhere Zuschläge für Nacht- und Feiertagsarbeit sowie neuartige Zulagen für Führungskräfte. „Der Abschluss stellte die Arbeitgeberseite vor große Herausforderungen und war in der wirtschaftlichen Umsetzung sehr schwierig“, sagt BDLS-Geschäftsführerin Cornelia Okpara auf Nachfrage der AZ. Schon die Lohnerhöhungen von 28,2 Prozent in 2022 hätten zu „massiven Kostensteigerungen“ geführt und wären in der damaligen wirtschaftlichen Situation der Branche „einfach zu hoch“ gewesen, so die BDLS-Chefin. Streiks bei Flughäfen und bei der Bahn auch im Jahr 2024 Wolfgang Pieper, Verhandlungsführer von Verdi, ist hingegen zufrieden mit den erzielten Zeitzuschlägen. Aber: „Wir sind nicht zufrieden, dass wir keine Lösung gefunden haben für die nicht bezahlten Überstunden für die Beschäftigten“, sagt Pieper im Gespräch mit der AZ. Die Kritik der Arbeitgeber an der finanziell hohen Belastung versteht der Gewerkschafter nicht: „Man fragt sich, warum die jetzt immer noch alle jammern.“ Für die Entgelttarifverhandlungen, die im neuen Jahr anstehen, fordert BDLS-Geschäftsführerin Okpara eine verbindliche Schlichtung. Verhandlungsführer Pieper sieht darin jedoch den Versuch, sich dadurch vor Streiks flüchten zu wollen. Nicht weniger turbulent ging es auf den Gleisen Deutschlands in diesem Jahr zu: Zuerst hatte die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) ab März mehrere Warnstreiks abgehalten, Ende des Jahres legte dann die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) nach. Der EVG-Lohnkampf hatte mit seinen zwei bundesweiten Warnstreiks am 27. März und 21. April seine Höhepunkte: 24 Stunden war der Nah- und Fernverkehr weitestgehend lahmgelegt. Zu dem für den Mai angedrohten 50-StundenStreik, den die DB im Vorhinein als „irrsinnig“ und „restlos überzogen“ bezeichnete, kam es hingegen nie. Beide Parteien verständigten sich auf einen Vergleich. Die EVG einigte sich im Juli mit der Deutschen Bahn schließlich auf ein Schlichtungsverfahren. Die Gewerkschaftsmitglieder hatten dieses dann mit 52,3 Prozent knapp angenommen: Die Löhne sollen monatlich um 410 Euro steigen sowie eine steuer- und abgabenfreie Inflationsprämie von 2850 Euro im Oktober geben (mit einer Laufzeit von 25 Monaten). Die ursprüngliche Forderung: mindestens 650 Euro im Monat mehr (mit einer Laufzeit von zwölf Monaten). Auf Nachfrage der AZ, wie die EVG dieses Ergebnis bewertet, äußerte sich die Gewerkschaft nicht. Auch die Deutsche Bahn wollte die Fragen der AZ nach einer rückblickenden Bewertung nicht beantworten und verwies auf alte Statements. Eine lange Verschnaufpause hatte die Bahn jedenfalls nicht:DieGDL setzte ihren ersten und letzten Warnstreik für 2023 direkt in der Woche nach dem Münchner Schneechaos an. 80 Prozent der Fernzüge fielen wegen des GDLStreiks aus. „Ab dem 8. Januar sollte man mit längeren Arbeitskämpfen rechnen“, kündigte bereits GDL-Chef Claus Weselsky Mitte Dezember an. Alles deutet also darauf hin, dass auch 2024 ein Jahr der Streiks und des langen Wartens wird. Maximilian Neumair Wegen der hohen Inflation hat es zuletzt viele Lohnkämpfe gegeben. Das hat sich bei Flügen und der Bahn bemerkbar gemacht Am27.März gab es einen bundesweiten Warnstreik: EVG und Verdi hatten sich zusammengetan und so beinahe den gesamten Verkehr deutschlandweit lahmgelegt. Foto: Sina Schuldt/dpa Verkehrschaos und Streiks WIRTSCHAFT kompakt Das Bürgergeld löst Hartz IV ab BERLIN Im Januar sind die Regelsätze um 53 Euro gestiegen. Für Alleinstehende gibt es 502 Euro im Monat. Zu den Neuerungen gehört die sogenannte Karenzzeit: Im ersten Jahr werden die Kosten für Unterkunft in tatsächlicher Höhe und die Heizkosten in angemessener Höhe anerkannt und übernommen. Außerdem darf das Ersparte in dieser Zeit behalten werden. Die berufliche Weiterbildung für einen Zugang zum Fachkräftearbeitsmarkt wurde ebenfalls gestärkt. Das 49-Euro-Ticket startet BERLIN Der Verkauf der 49-Euro-Monatsabos für den Nah- und Regionalverkehr ist im April angelaufen. Ab Mai ist das als „Deutschlandticket“ bezeichnete Nachfolger-Angebot des 9-Euro-Tickets dann tatsächlich gültig. Bis auf Fernzüge kann durch diese neue Ticketvariante jedes öffentliche Verkehrsmittel deutschlandweit genutzt werden. Habecks Berater wird gefeuert BERLIN Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat sich im Mai von seinem umstrittenen Staatssekretär Patrick Graichen wegen des Vorwurfs der Vetternwirtschaft getrennt. Dieser hatte seinem Trauzeugen den Posten des Geschäftsführers der Deutschen Energie-Agentur verschaffen wollen, ohne das Näheverhältnis offenzulegen. Habeck sagte dazu, es gehe darum, „das Vertrauen in die Arbeit dieses Haus als Institution zu schützen“. Rente in Ost und West erstmals gleich BERLINMehr als 30 Jahre nach der Wiedervereinigung sind die Rentenwerte in Ost und West im Juli auf denselben Stand gekommen. Mit der jährlichen Rentenerhöhung ist die schrittweise Anpassung in beiden Teilen Deutschlands beendet. Pause der EZB bei Leitzins-Erhöhungen FRANKFURT Nach zehn Erhöhungen in Folge beschloss der EZB-Rat Ende Oktober, den Leitzins nicht weiter anzuheben und bei 4,5 Prozent zu belassen. Aufgrund der im September gesunkenen Teuerungsrate sollte der Zins nicht weiter angehoben werden. Seit Juli 2022 hatte die EZB mit einer Serie von Zinsanhebungen versucht, die angebotsgetriebene Inflation zu bekämpfen. Patrick Graichen (links) und Robert Habeck. Foto: dpa Die Europäische Zentralbank in Frankfurt. dpa

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