Abendzeitung vom 31.10.2023

12 ABENDZEITUNG DIENSTAG/MITTWOCH, 31.10./1.11.2023 WWW.ABENDZEITUNG.DE POLITIK POLITIK kompakt Bundesregierung verteidigt Enthaltung BERLIN Die Bundesregierung hat ihre Enthaltung bei der Abstimmung über eine UN-Resolution zum Krieg zwischen Israel und der radikalislamischen Hamas verteidigt. Vizeregierungssprecher Wolfgang Büchner sagte am Montag, dass Deutschland bei der Vorbereitung der Resolution wesentliche Verbesserungen am Text habe durchsetzen können – und deshalb nicht mit Nein stimmen wollte. Eine Zustimmung sei aber auch nicht möglich gewesen, weil wichtige Punkte in dem Text fehlten. Berlin sei wichtig gewesen, „dass die Terrororganisation Hamas dort namentlich benannt wird, dass auch der Terror der Hamas benannt wird, dass auch das Recht Israels, sich gegen Terror zu verteidigen, dort erwähnt wird. Wenn das gelungen wäre, diese Punkte mit einzubringen, hätte Deutschland auch einer solchen Resolution zustimmen können.“ Hassbriefe und Hundekot RECKLINGHAUSENBei zwei Moscheen in NordrheinWestfalen sind Hassbriefe mit verbrannten Koranseiten und Hundekot eingegangen. Wie die Polizei in Gelsenkirchen amMontag mitteilte, waren muslimischen Gemeinden in Recklinghausen und Castrop-Rauxel betroffen. In beiden Fällen wurde Anzeige wegen Volksverhetzung erstattet, der Staatsschutz ermittelt. Laut Polizei hinterließen der oder die unbekannten Täter jeweils einen Umschlag in den Briefkästen der Moscheen. Stark-Watzinger warnt vor China BERLINBundesforschungsministerin Bettina StarkWatzinger hat zu Wachsamkeit bei Kooperationen mit China im Wissenschaftsbetrieb aufgerufen. „Hinter jedem chinesischen Forscher kann sich die kommunistische Partei verbergen, darüber müssen wir uns klar sein“, sagte die FDP-Politikerin der „Welt“. Notwendig sei daher eine Überprüfung bestehender Kooperationsbeziehungen auch von Hochschulen, gerade bei Stipendiaten des staatlichen China Scholarship Council. Dauer-Streit um die Schuldenbremse BERLIN FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai hat Forderungen aus der SPD-Spitze nach einem erneuten Aussetzen der Schuldenbremse strikt zurückgewiesen. „Eine solide Finanzpolitik ist die Voraussetzung für nachhaltiges Wachstum“, sagte er der „Rheinischen Post“. „Die wichtigen Konsolidierungsanstrengungen dürfen nicht durch ständig wiederkehrende Debatten zur Aufweichung oder zum Aussetzen der Schuldenbremse konterkariert werden.“ SPD-Chefin Saskia Esken hatte zuvor ein erneutes Aussetzen der Schuldenbremse gefordert. WENIGER GELD FÜR ASYLBEWERBER Lindner bleibt bei seinem Vorstoß Bundesfinanzminister Christian Lindner hat seinen Vorstoß zu Kürzungen von Sozialleistungen für Asylbewerber verteidigt. „Es gibt Menschen, die sind nicht auf der Flucht, jedenfalls nicht vor Bürgerkrieg oder Naturkatastrophe. Sondern, die kommen aus wirtschaftlichen Gründen zu uns. Und die haben eigentlich kein Aufenthaltsrecht. Die wollen in Deutschland möglicherweise auch gar nicht arbeiten, sondern unseren Sozialstaat nutzen. Und das muss unterbunden werden“, sagte der FDP-Chef am Sonntagabend in der ARD. Deutschlands Sozialstaat biete im Vergleich zu anderen Ländern sehr hohe Leistungen, die wie ein Magnet wirkten. „Das muss abgeschaltet werden.“ In einem Beitrag für die „Welt am Sonntag“ hatten sich Lindner und Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) für Leistungskürzungen ausgesprochen. „Unter ganz besonders engen Voraussetzungen wäre sogar eine Absenkung von Leistungen quasi auf ,null’ denkbar“, schrieben sie. Sie schlugen dies bei Menschen vor, „denen humanitärer Schutz in dem für sie nach den DublinRegeln zuständigen EU-Staat zusteht, die sich aber weigern, den Schutz dort in Anspruch zu nehmen. In diesen Fällen wäre es denkbar, die Leistung auf die Erstattung der notwendigen Reisekosten in den zuständigen Staat abzusenken.“ Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch warnte in der „Welt“ vor einem „Wettlauf rhetorischer Eskalation aus verschiedenen Richtungen“, der nicht weiterhelfe. Lindner warb erneut dafür, finanzielle Leistungen für Asylbewerber über Bezahlkarten abzuwickeln, um Migrationsanreize zu senken. Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU), der derzeit Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz ist, sagte im „Bericht aus Berlin“, die Länder seien dafür. Sinn mache dies aber nur flächendeckend. Am 6. November wollen Bund und Länder bei einer Konferenz der Ministerpräsidenten mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) über weitere Maßnahmen zur Migrationspolitik sprechen. Rhein machte erneut deutlich, dass die Länder mehr Geld vom Bund erwarten. Scholz’ Afrika-Pläne Kooperation bei Abschiebungen und machte sich zudem für mehr Zusammenarbeit in Sicherheitsfragen stark. Mit ihrem marokkanischen Amtskollegen, Abdelouafi Laftit, unterzeichnete sie am Montag in der Hauptstadt Rabat eine entsprechende Absichtserklärung. Laut Bundesinnenministerium leben in Deutschland 3660 Marokkaner, die ausreisepflichtig sind. Da 2762 von ihnen aus unterschiedlichen Gründen geduldet werden, ist nur bei 898 marokkanischen Staatsbürgern eine Abschiebung möglich. Sammelabschiebungen per Charter lässt Marokko nicht zu, so dass immer nur einzelne Rückführungen per Linienflug möglich sind. stelle keine Forderungen auf.“ Wenn es sich um Nigerianer handele, seien sie zu Hause willkommen. Das Problem ist dabei allerdings die Feststellung der Identität. Von den knapp 14 000 ausreisepflichtigen Asylbewerbern aus Nigeria sind rund 12 500 geduldet, größtenteils weil sie keine Ausweispapiere haben. Am Montagabend sollte der Bundeskanzler nach Ghana weiterreisen. Auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (ebenfalls SPD) war auf dem Nachbarkontinent unterwegs: In Marokko drang sie ebenfalls auf eine bessere gegründet worden sind, ausgebaut werden. Sie sollen sich laut Scholz künftig auch um die Beratung von Fachkräften kümmern, die in Deutschland Fuß fassen wollen. „Dafür braucht es einige Vorbereitungen und Investitionen – auf beiden Seiten“, sagte der Kanzler. Darüber habe er am Sonntag mit dem nigerianischen Präsidenten Bola Tinubu gesprochen. Tinubu hatte sich offen für die Rücknahme von Flüchtlingen gezeigt. Auf die Frage, was er dafür von Deutschland erwarte, sagte er bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Scholz: „Ich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat bei seinem Besuch in Nigeria erneut für eine engere Partnerschaft zur Steuerung der Migration geworben. Bei einemWirtschaftsforum am Montag betonte er, dass neben einer erleichterten Rückführung von Nigerianern ohne Bleiberecht auch die Einwanderung von Fachkräften gefördert werden müsse. Dafür sollen Migrationszentren, die in Nigeria für die Unterstützung von Rückkehrern DieMigrationszentren in Nigeria sollen ausgebaut werden – und sich auch um Fachkräfte kümmern Verhaftung überschattet erste Landtags-Sitzung (CSU). Von 200 anwesenden Abgeordneten erhielt die 58-Jährige 164 Stimmen, was den Schluss zulässt, dass die AfD mit ihren 36 anwesendenden Mandatsträgern ihre Zustimmung komplett verweigerte. Vor fünf Jahren hatte Aigner noch 198 von 205 Stimmen und damit auch einige aus den Reihen der AfD erhalten. Zwischenzeitlich war die Landtagspräsidentin mit der AfD mehrfach aneinander geraten. 20 der 26 vom Präsidium verteilten Rügen betrafen AfD-Politiker. In ihrer Antrittsrede zeigte sich Aigner erschreckt über die „Verschwörungsmythen“, welche die AfD in Zusammenhang mit dem Fall Halemba aufbaue. Sie könne dazu „nicht schweigen“. Die AfD betreibe eine Umkehr der Täter-Opfer-Rolle mit dem Ziel, „das Vertrauen in demokratische Institutionen zu zerstören“. Künftig will Aigner die Rügen wie im Bundestag mit einer Geldbuße von 1000 Euro verbinden. Sie werde auch auf das Verhalten „außerhalb des Landtags achten“. Die Vizepräsidentenwahlen verliefen wie erwartet. Mit den Stimmen auch der jeweils anderen Fraktionen, aber mutmaßlich ohne Unterstützung der AfD wurden in geheimer Wahl Tobias Reiß (CSU), Alexander Hold (Freie Wähler), Ludwig Hartmann (Grüne) und Markus Rinderspacher (SPD) zu Stellvertretern von Landtagspräsidentin Aigner gewählt. Der Kandidat der AfD, Matthias Vogler aus Mittelfranken, verfehlte die erforderliche Mehrheit. Strohmayr wurden von Alterspräsident Paul Knoblach gemahnt, „bei der Sache“ zu bleiben. Die Sache, das war die formelle Übernahme der Geschäftsordnung des Landesparlaments in die neue Legislaturperiode. Die Kontroverse warf auch einen Schatten auf die Wiederwahl von Landtagspräsidentin Ilse Aigner sprach deren Abgeordnete Simone Strohmayr von einem „neuen Tiefpunkt“: „Ich schäme mich für das Bild, das wir hier abgeben.“ Sowohl Maier wie Von Ralf Müller Mehr in angespannter als in feierlicher Stimmung ist am Montag der neu gewählte Bayerische Landtag zusammengetreten. Bereits in der ersten Sitzung kam es zum Zusammenstoß zwischen der AfD und den anderen Fraktionen. Grund dafür war die Verhaftung des unterfränkischen AfD-Abgeordneten Daniel Halemba wenige Stunden vor der konstituierenden Sitzung. Da Halemba mit 22 Jahren der jüngste Abgeordnete des Parlaments war, hätte er als einer der beiden Schriftführer zur Eröffnung neben dem Alterspräsidenten Platz nehmen sollen. Während der AfD-Parlamentarier in Würzburg dem Haftrichter vorgeführt wurde, rückte für ihn der 23-jährige CSU-Parlamentarier Kristan von Waldenfels nach. Halemba wird Volksverhetzung und Verwendung von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen in Zusammenhang mit seiner Mitgliedschaft in der Würzburger Burschenschaft „Teutonia Prag“ vorgeworfen. Der AfD-Abgeordnete Christoph Maier bezeichnete die Verhaftung Halembas als „absoluten Skandal für die Demokratie in Bayern“. Für die SPD Während sich Bayerns frisch gewähltes Parlament konstituiert, sitzt einer der AfD-Abgeordneten im Untersuchungsgefängnis. Volksverhetzung lautet der Vorwurf der Ermittler. Das sorgt für hitzige Debatten Herzlichen Glückwunsch! Ministerpräsident Markus Söder gratuliert Landtagspräsidentin Ilse Aigner (beide CSU) zu ihrer Wiederwahl. Aigner erhielt 164 von 200 Stimmen. Acht Abgeordnete stimmten mit nein, 27 enthielten sich, eine Stimme war ungültig. Foto: Peter Kneffel / dpa MEINUNG Ralf Müller Der AZ-Landtagskorrespondent über die konstituierende Sitzung politik@abendzeitung.de Kaninchen und Schlange ‚‚ Eigentlich sollte die konstituierende Sitzung des neu gewählten bayerischen Landtags eine würdige, feierliche Angelegenheit sein, doch diesmal war es nicht ganz so. Keine Sekunde dachte die AfD offenbar darüber nach, dass die Vorwürfe gegen ihr verhaftetes Mitglied Daniel Halemba wegen Volksverhetzung und der Verwendung von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen vielleicht berechtigt sein könnten, sondern ging sofort auf Konfrontation. Das lässt nichts Gutes für die Legislatur erwarten. Während in den vergangenen fünf Jahren bei der AfD noch einige „Gemäßigte“ zu finden waren, ist die neue Fraktion von den HöckeFlügelleuten dominiert. Mit anderen Worten: stramm rechts. CSU, Freie Wähler, Grüne und SPD dürfen sich nun nicht von der AfD die politische Tagesordnung bestimmen lassen. Die Gefahr, auf die AfD wie das Kaninchen auf die Schlange zu starren, ist durchaus gegeben. Foto: dpa Lindner. Foto: dpa Gekennzeichneter Download (ID=WsXuUSf05h1xI8_-ceHmHg)

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