Abendzeitung vom 31.10.2023

Frisch gestählt in die Zukunft Museen sind Energieschleudern. Bis vor ein paar Jahren wurde das klaglos akzeptiert, denn natürlich erfordern die oft hochempfindlichen Objekte ein kühles, trockenes Klima. Ganz davon zu schweigen, wenn man sie ins rechte Licht setzen will. Neubauten kann man mittlerweile ziemlich „grün“ planen, wie aber schaut es bei alten Gebäuden aus? Rupert Gebhard, der Direktor der Archäologischen Staatssammlung, ist seit über zehn Jahren um möglichst umweltverträgliche Lösungen bemüht. Nach der Wiedereröffnung Ende März dürfte sein generalsaniertes Haus die beste Energiebilanz unter Münchens Museen vorweisen. Zum AZGespräch kommt Gebhard jedenfalls mit dem Rad. AZ: Herr Gebhard, Sanierungen von Museen sind kostspielig und kompliziert. Wie bringt man das mit der Ökologie in Einklang? RUPERT GEBHARD: Unser Gebäude stammt aus den 70er Jahren, und wir wussten nicht, woraus es im Einzelnen besteht. Bei der Beprobung gab es einige Überraschungen, deshalb hat sich natürlich die Frage gestellt, was billiger ist: Abriss und Neubau? Oder ein aufwendiger Rückbau der Substanz bis auf das Skelett und ein Wiederaufbau? Beides war ungefähr gleich teuer, deshalb habe ich dafür plädiert, die Bausubstanz beizubehalten – dafür ist schon einmal Energie aufgewendet worden, die wir nie mitrechnen. Das war lange vor der heute ganz selbstverständlichen Diskussion um Graue Energie. Hat man Asbest gefunden? Ja, und an Stellen, die man nicht auf dem Schirm hat. Der ganze Fliesenkleber war voll mit Asbest, genauso eine Dämmungsmatte unterm gesamten Estrich. Aber jetzt haben wir ein schadstofffreies Gebäude. Wie bemisst sich das? Unsere Anforderungen sind ziemlich hoch, der Mensch würde mehr vertragen. Aber die Objekte sind relativ empfindlich, deshalb haben wir darauf geachtet, dass keine Materialien mit flüchtigen Kohlenwasserstoffverbindungen oder Formaldehyden verbaut werden. Wir sind ja auch schon seit vielen Jahren dabei, die Chemikalien in der Werkstatt zu reduzieren. Gerade bei den Lösungsmitteln gibt es einen großen Spielraum, Umweltgifte zu vermeiden. Das Markenzeichen des vonWerz-Baus ist die CortenstahlVerkleidung der Fassade. Konnte man die erhalten? Die Platten waren verrostet und gingen ins Recycling. Die neue Verkleidung wurde ganz im alten Stil angefertigt. Darunter ist eine sehr dicke Dämmung angebracht. Um die Gesamtproportionen nicht zu verändern, wurde das Gebäude deshalb leicht erhöht. Wobei zum ursprünglichen Gebäude ein neuer Anbau gekommen ist. Der besteht aus Beton, das war konstruktiv nicht anders machbar. Wir haben allerdings darauf geachtet, dass Kunststoffe bei der Dämmung vermieden werden. Wie schaut die Energiebilanz im generalsanierten Museum aus? Die ist sogar zukunftstauglich! Die Energieeinsparung, die beim Planungsprozess 2013/14 verordnet war, haben wir vorausschauend noch einmal um 30 Prozent unterschritten. Damals war schon zu ahnen, dass sich die Standards verändern würden. Und die Wärmeversorgung? Wir werden weiterhin Fernwärme beziehen, schon weil wir davon ausgehen, dass dann die ökologische Verbesserung zentral stattfindet. Durch unsere gute Isolierung ist der Verbrauch immens gesunken. Allerdings haben wir auch das Problem Kälte. Unsere Objekte brauchen ein kühles, trockenes Klima. Deshalb müssen wir der Luft besonders im Sommer Feuchtigkeit entziehen. München hat zwar ein 23 Kilometer langes Fernkältenetz, das die Kälte der Stadtbäche nutzt, aber das ist für uns nicht geeignet. Das Thema Wärmepumpe und Tiefbohrung stand für unseren Kälte- undWärmebedarf natürlich im Raum. Aber im Münchner Innenstadtbereich ist die Temperatur des Grundwassers in den letzten Jahren signifikant angestiegen, deshalb kam diese Lösung nicht infrage. In der Nähe fließt der Eisbach… Vom Namen her würde sich der zur Kühlung anbieten, aber einfach so einen Bach anzuzapfen, ist natürlich nicht erlaubt. Wir haben uns auch ohne das guerillamäßige Nutzen des Eisbachs sehr verbessert. Früher gab es eine zentrale Kältemaschine, durch die täglich sieben Kubikmeter Trinkwasser geschleust wurden, die ins Abwasser gingen. Jetzt haben wir direkt unter der Decke Kühlkörper, also das Gegenstück zu Heizkörpern. Im Sommer zirkuliert Wasser, das von einer hochwertigen Kältemaschine gekühlt wird. Wie heizen Sie im Gebäude? Im Ausstellungsbereich haben wir eine sehr energieeffiziente Fußbodenheizung, die auf niedrigen Temperaturen fährt. Uns ist daran gelegen, dass wir ein langweiliges Klima haben, also keine großen Schwankungen und möglichst gleitende Veränderungen. Lockern sich nicht gerade die klimatischen Vorgaben für Museen? Es gibt immer die Diskussionen mit den Restauratoren, deren Idealvorstellungen ziemlich streng sind. Auf der anderen Seite muss das auch in einem vertretbaren Rahmen stattfinden. Ich habe lange die Restaurierungswerkstätten geleitet und kenne durch den Leihverkehr Häuser, die nicht über unsere Möglichkeiten verfügen. Im Lauf der Zeit hat sich dann herausgestellt, dass Schwankungen zwischen 18 und 26 Grad unproblematisch sind. Damit können Sie auch die Anlagen kleiner dimensionieren. Werden diese Anlagen nicht immer größer? Deutlich sogar. Die nicht zu übersehende Lüftungs- und Filteranlage auf dem Dach hat früher in unseren Keller gepasst. Aber inzwischen geht es auch um die Vermeidung von Geräuschen. Und je strenger Sie mit den Klimawerten sind, desto höher ist der Energieverbrauch. Man muss also bereits bei der Planung ganz genau wissen, wie die Räume temperiert sein sollen. Wir haben im Haus zum Beispiel keine zentrale Warmwasserversorgung. Wie? Wir verbrauchen so wenig warmes Wasser, dass es an den Waschbecken wieder Boiler gibt. Wie früher? Im Prinzip ja. Das sind kleine Elektroboiler, die unterm Strich viel weniger Energie verbrauchen, als würden Sie für den gesamten Gebäudekomplex ständig warmes Wasser in einem riesigen Kessel bereithalten. Auch die Rohre zu den einzelnen Waschbecken geben ja Wärme ab. Eine solche Anlage macht nur in Wohngebäuden Sinn, wo dauernd jemand abwäscht, duscht, putzt, was auch immer. Und der Strom? Sämtliche Leuchtkörper sind mit LED ausgestattet. In Fluren und im Keller gibt es keine Lichtschalter, sondern Bewegungsmelder. Wenn niemand im Raum ist, geht das Licht garantiert aus. Früher brannte das oft den ganzen Tag. Das Haus hat große Fensterflächen. Das ist aber längst kein Nachteil mehr, gerade bei einer standardmäßigen Dreifachverglasung. Im Winter erwärmt sich das Gebäude durch die großen Scheiben, und im Sommer genügt in den Diensträumen eine mechanische Zusatzlüftung. Die bläst in der Nacht Kaltluft in die Räume. Wir haben ein Jahr Sommerbetrieb hinter uns, und wärmer als 26, 27 Grad ist es nie geworden. Den fensterlosen Ausstellungsbereich betrifft das allerdings nicht, das ist eine in sich geschlossene stabile Welt. Die Lichtregie in Ausstellungen ist mittlerweile eine aufwendige Kunst für sich. Deshalb haben wir auf dem Dach eine Photovoltaik-Anlage, die den Strom für die Ausstellung liefert. Ist das Haus jetzt energieneutral? Für den Ausstellungsbereich sind wir relativ energieneutral. Mit den LEDs verbrauchen wir aber auch wesentlich weniger Strom als früher mit den alten Lampen. Und LED erzeugt wiederum weniger Wärme, man benötigt dann weniger Kühlung. Sie sind mit sämtlichen Depots ausgezogen, und nun kommt alles wieder zurück an die Lerchenfeldstraße. Geht so etwas überhaupt umweltfreundlich? Sogar nachhaltig. Wir verwenden Kunststoffkisten, die bei der Auslagerung und am Ende beim Wiedereinzug als Normkisten für die Aufbewahrung dienen. Unsere Behältnisse halten mindestens 50 Jahre und entwickeln auch langfristig keine Schadstoffe. Selbst in einem großen Haus sind es oft die Kleinigkeiten, die am Ende viel „Mist“ machen. Ja, zum Beispiel bei Grabungen das System der „Tüte in der Tüte in der Tüte“. Eine beinhaltet nur den Fundzettel mit den Informationen über das Objekt. Der wird nicht schmutzig, den kann man problemlos wiederverwenden, also geht er in unseren Materialkreislauf zurück. Und im Laufe der Zeit sind das beträchtliche Mengen. Das muss aber auch alles gesammelt und gelagert werden. Und Lagerplatz ist sehr teuer. Überschüssiges Verpackungsmaterial haben wir zum Beispiel in die Ukraine zur Erstversorgung der Museen abgegeben. In den letzten Jahren ist bei uns das Wegwerfen sehr zurückgegangen. Auch so Alltägliches wie Putzmittel gibt es schon lange in umweltverträglichen Ausführungen. Das ist alles nicht neu, und vieles geht ganz einfach. Man muss es halt machen. Christa Sigg Mehr zur Sanierung der Archäologischen Staatssammlung auf www.archaeologie-bayern.de VomKlima bis zumLicht: WenndieArchäologische Staatssammlung im Frühjahr generalsaniert wieder eröffnet, wird sie das umweltfreundlichste Museum Münchens sein Die Archäologische Staatssammlung an der Lerchenfeldstraße schaut aus wie neu. Tatsächlich wurde das Museum aus den 70er Jahren generalsaniert. Das reicht von der markanten CortenstahlFa ssade – die alte ging ins Recycling – bis zur Gebäudetechnik, die mit sagenhaft wenig Strom auskommt. Foto: Sigi Müller Rupert Gebhard auf der Terrasse der Staatssammlung, wo für die Gastronomie auch Kräuter gezogen werden können. Bienen sind eh willkommen. Foto: Stefanie Friedrich AZ-INTERVIEW mit Rupert Gebhard Der Prähistorische Archäologe, Jahrgang 1961, aus München ist seit 2009 Professor für Vor- und Frühgeschichte an der LMU, seit 2010 leitet er die Archäologische Staatssammlung München. KULTUR Howard Carpendale Kommt in die Olympiahalle SEITE 33 31 KULTUR ABENDZEITUNG DIENSTAG/MITTWOCH, 31.10./1.11.2023 WWW.ABENDZEITUNG.DE TELEFON089 23 77-3100 E-MAIL KULTUR@ABENDZEITUNG.DE Paul Sedlmeir Neue Runde für Hubert ohne Staller SEITE 39 Gekennzeichneter Download (ID=WsXuUSf05h1xI8_-ceHmHg)

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