Abendzeitung vom 31.10.2023

18 ABENDZEITUNG DIENSTAG/MITTWOCH, 31.10./1.11.2023 WWW.ABENDZEITUNG.DE BAYERN GEMÜSE ODER EXOTISCHE GEWÄCHSE ALS WANDSCHMUCK – UND WARUM DIE UNI ERLANGEN SICH PLASTIK-POST WÜNSCHT Uni-Projekt: Die Wege des Kunststoffs um die Welt Ein Aufruf der besonderen Art sorgte für Aufsehen. Forscher der FriedrichAlexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) hatten im Juli Urlauber dazu aufgefordert, ihnen Müll vom Ferienort zusenden. Dabei ging es aber nicht um gewöhnlichen Haushaltsmüll, sondern um Plastik das an Stränden, in Bergen oder Wäldern liegt. Die Funde werden derzeit ausgewertet – die Resonanz war groß. „Ziel ist, zu prüfen, wie sich Kunststoff unter verschiedenen Umwelteinflüssen abbaut“, sagt Andrea Büttner, Professorin für Aroma und Geruchsforschung an der FAU der AZ. Sie leitet das Forschungsprojekt. So könne man Erkenntnisse über den Alterungsprozess der Stoffe erlangen. Plastikmüll in unserer Umwelt sei zu einem akuten Problem geworden, das immer mehr Menschen auf der ganzen Welt beschäftigt. Vielen sei aber nicht unbedingt bewusst, welche Wirkung die Kunststoffe auf die Natur haben, sagt Büttner. Denn was viele nicht wissen: Kunststoffen werden in der Produktion zahlreiche Zusätze wie Weichmacher und UV-Schutzmittel zugefügt, um ihnen bestimmte Eigenschaften wie Farbe oder Robustheit zu verleihen. „Diese Substanzen können sich unter Umwelteinflüssen verändern und erhebliche Auswirkungen haben.“. Viele dieser Zusätze reagieren nämlich auf Umwelteinflüsse und bilden neue potenziell schädliche Verbindungen, erklärt Büttner. Dies macht es schwierig, die Langzeitwirkungen auf die Umwelt vollständig zu verstehen. Gerade deshalb seien der Aufruf und die Forschung so wichtig. Die Expertin selbst sammelt schon lange Müll in ihren Urlauben. „Da bin ich fast schon paranoid“, sagt sie. „Überall auf der Welt habe ich den Drang, Plastikmüll einzusammeln.“ Auch so sei die Idee für den Aufruf entstanden. Die Resonanz war groß: „Wir haben unglaublich viele Zusendungen von Urlaubern erhalten“, erzählt die Forscherin. „Die Vielfalt der eingesandten Fundstücke war beeindruckend und zeigt, wie weit verbreitet dieses Problem ist.“ Von Quietscheentchen bis zu Schwimmhilfen sei alles dabei gewesen. „Insgesamt waren es über 100 Zusendungen“, sagt Büttner, „und es kommen immer noch welche hinzu.“ Auch Christina Kibuta, eine Doktorandin, die die Funde mitauswertet, berichtet von dem besonderen Variantenreichtum: „Wir haben Proben aus der ganzen Welt erhalten.“ Von Japan über Tansania bis Spanien seien Zusendungen dabei gewesen. „Jeder Kontinent ist vertreten – es war wunderbar, die Pakete zu öffnen“, so Kibuta. Die Funde bereiten aber auch Sorgen. „Es waren viele ZigaretUrlauber sollten im Sommer Plastikmüll sammeln und Forschern zuschicken. Was war der Grund und wie weit ist die Auswertung? tenstummel und Flaschen dabei – aber etwa auch Kunststoffkanister, die Chemikalien enthielten“, sagt Büttner. Plastikmüll in den Ozeanen ist ein globales Problem. Büttner spricht von bekannten Müllstrudeln, wie dem „Great Garbage Patch“, einem riesigen Plastikmüllhaufen, der im Meer umherschwimmt. Die Forschung von Büttner zielt auch darauf ab, Lösungen für den Umgang mit Plastikmüll zu finden. Sie weist darauf hin, dass es nicht ausreicht, Recycling als alleinige Lösung zu betrachten. „Die Menschen schreien heutzutage immer danach, dass Sachen recycelbar sein müssen - Recycling ist aber unglaublich aufwendig.“ Viel wichtiger sei es, KunststoffProdukte möglichst lange nutzbar machen zu können und die Lebensdauer von Produkten zu verlängern. Sie hofft auch, dass die Bevölkerung durch das Projekt sensibilisiert wird und neue Projekte ins Leben gerufen werden, um das Problem anzugehen. „Es haben sich unfassbar viele Umweltorganisationen bei uns gemeldet und wir sind mit ganz vielen in Kontakt gekommen.“ „Es ist offensichtlich, dass die Herausforderungen des Plastikmülls in der Umwelt eine vielseitige Herangehensweise erfordern.“ Die Forschung und die Sensibilisierung der Bevölkerung seien wichtige Schritte auf dem Weg zu einer nachhaltigeren Zukunft. Niclas Vaccalluzzo Angespülter Plastikmüll am Schwarzen Meer. Foto: imago Manche hängen Bilder auf. Andere schrauben Regale an die Wand. Und der Gemüseliebhaber von morgen pflanzt eben seine Tomaten und sein Basilikum auf der Zimmerwand – wobei sich die Pflanzen auch noch von selbst gießen. Ohne viel Wasser oder Sonne zu brauchen. Ein beinahe vollautomatisierter, kompakter und nachhaltiger Garten für die eigene Wohnung. Das ist die Vision des Bayreuther Start-ups Myriad. Seit 2021 arbeiten die Kreativen an der Idee, einen Garten für die eigenen vier Wände zu schaffen – im wahrsten Sinne des Wortes. Angefangen hat alles mit dem Wunsch von Miriam Martín (30) und Yannic Hönle (34) nach einem eigenen kleinen Gemüsebeet. Das Problem: Sie hatten in ihrer Wohngemeinschaft weder Balkon noch Garten, erzählt Geschäftsführer Hönle im Gespräch mit der AZ. Der Anbau auf dem Fensterbrett wollte auch nicht so recht gelingen. Alles sei dreckig gewesen und wenn mal eine Pflanze gewachsen ist, sei sie mickrig gewesen. Martíns Master-Arbeit über Aeroponik hat sie dann auf die zündende Idee gebracht, wie sich der Traum vom eigenen Garten doch verwirklichen lässt. Aeroponik ist die Technologie, die auch die Nasa weiterentwickelt, um Pflanzen mit Hilfe von Sauerstoff schneller wachsen zu lassen. Der Trick: Die Nährstofflösung, die normalerweise im flüssigen Wasser wäre (Hydroponik), wird vernebelt. Die Pflanzen hängen also nicht im Wasser, sondern in einer modifizierten Luft. „Für uns war das die perfekte Technologie für den Anbau direkt zuhause, weil es super sauber ist“, sagt Hönle, studierter Biomechatroniker. Was im Weltraum geht, muss auch auf der Erde funktionieren – so der Gedankengang der beiden. Und aus der Idee für den eigenen Gemüsegarten erwuchs eine Geschäftsidee. „Man bekommt eine Tomatenpflanze, steckt sie in den Garten ein und wartet, bis sie wächst“, lautet das Konzept. Und das jeweilige Gemüse wächst – je nach Pflanzenart – auch gerne mal doppelt so schnell wie bei der herkömmlichen Anbauweise. Denn die Energie, die die Pflanzen normalerweise für den Schutz gegen Schädlinge und Co. aufwenden müssten, können sie stattdessen ins Wachstum stecken. Alles, was man dafür tun muss: Einmal im Monat Wasser nachfüllen. Die Gartentechnologie bewässert die Pflanzen ganz einfach von selber. „Da kann man auch mal für drei Wochen in den Urlaub gehen und niemand muss sich um die Pflanzen kümmern“, sagt Hönle. Geeignet sei der selbstständige Gemüsegarten sowohl für Anfänger als auch erfahrene Profis. Für Letztere ist er vor allem so interessant, weil sich so auch Gemüse imWinter anbauen lässt. Denn Temperatur oder die Menge an Sonnenlicht spielen keine Rolle: Auch hier versorgt sich der Garten von ganz alleine mit Hilfe von LED-Licht. Ein Stromfresser ist er trotz der automatisierten Abläufe laut Hönle nicht. Durchschnittlich 20 Watt pro Monat, das sind etwa zwei bis drei Euro. Ein viel geringerer Wasserverbrauch als im herkömmlichen Anbau. „Im Anbau von Tomaten sind wir sogar CO2-negativ“, berichtet Hönle stolz. Denn herkömmliche Transportwege und die Verwendung von Spritzmitteln oder Pestiziden fallen weg. Gerade für Münchner mit wenig Platz bietet der 50 Zentimeter breite und 70 Zentimeter hohe Garten Raum für den Anbau von 16 Pflanzen. Die können Hönle zufolge auch beliebig kombiniert werden: etwa vier Tomaten, vier Paprika und acht verschiedene Kräuterarten. „Ein bisschen wie ein Gemüse-Gemälde.“ Maximilian Neumair Ein Bayreuther Start-up will Gemüseanbau auch bei wenig Platz, Licht und Erfahrung ermöglichen. Und eifert dabei der Nasa nach Statt eines Gemäldes oder eines Familienfotos möchte das Start-up Myriad, dass stattdessen bald auch Gemüsegärten in Wohnzimmern hängen. Foto: Myriad Tomaten an der Wand pflanzen ‚‚ Unglaublich viele Zusendungen ‘‘ erhalten GRÜNE WÄNDE IM KABINETTSSAAL Auch Söder ist ein Fan von Wandgärten Zwar wächst dort kein Gemüse, aber auch die Bayerische Staatskanzlei verfügt über vertikale Gärten. Im Ministerratssaal hängt so einer – auf Wunsch von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) im Zuge einer notwendigen Renovierung. „Die Pflanzen machen den Raum nicht nur schöner und freundlicher, sondern sorgen durch eine natürliche Umgebung für ein angenehmes Raumklima“, sagt ein Sprecher der Staatskanzlei auf Nachfrage der AZ zu den Gründen für die grüne Deko. Bewässert wird sie ebenfalls durch ein halb-automatisches Bewässerungssystem, sagt der Sprecher weiter. Markus Söder (CSU) vor einem hängenden Garten in der Staatskanzlei. Foto: Martha Schlüter Gekennzeichneter Download (ID=WsXuUSf05h1xI8_-ceHmHg)

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