Abendzeitung wird 75 Jahre alt

60 75 JAHRE AZ ABENDZEITUNG FREITAG, 16. JUNI 2023 WWW.AZ-MUENCHEN.DE In ohnmächtiger Trauer Von Patricia Lawrence Am 22. Juli 2016 starben im OEZ neun Menschen durch die Schüsse eines von Hass auf Muslime zerfressenen Schülers. Die traurige Geschichte ist bekannt, auch aus den Berichten der Abendzeitung. Was Sie, liebe Leserinnen und Leser, nicht erfahren haben: Eine AZ-Redakteurin hatte die ganzen schrecklichen Bilder vom Ort des Geschehens in Echtzeit erhalten. Bilder, die die Überlebenden per Handy aus dem OEZ an ihre Angehörigen geschickt haben. Die Redakteurin und ich saßen nämlich in der Wohnung einer dieser betroffenen Familien. Wir waren zuvor mitten im abgeriegelten Gebiet unterwegs, nur eine Straßenecke von der Stelle entfernt, an der sich der Täter dann später selbst erschoss. Die Polizisten, die überall waren, hatten uns – vollkommen zurecht – angeschrien, sofort Schutz zu suchen. Und den fanden wir bei besagter Familie, die uns vom Fenster im ersten Stock aus gesehen und zugerufen hatte, sie würde die Türe öffnen und uns nach oben holen. Die Stunden dort werden wir nie vergessen, die unerträgliche Sorge um die Angehörigen, die plötzlich in die Gewissheit umschlug, dass zwei von ihnen nicht überlebt hatten. Die Verzweiflung und ohnmächtige Trauer, die wir miterlebten, lässt sich nicht in Worte fassen. Uns fehlten auch die Worte, um zu trösten – zumal wir die Bilder sahen. Junge Menschen, Kinder. Wir nahmen einander weinend in die Arme. Anja, die Redakteurin, war natürlich auch in telefonischem Kontakt mit unserer Chefredaktion, Michael Schilling und Thomas Müller. Sie erzählte, was sie auf den Bildern sah. Grausame Bilder, die sofort online hätten gehen können oder am nächsten Tag in unserer Zeitung hätten stehen können. Mir war sofort klar, was Michael, Thomas und Anja mit diesen Fotos machen würden: nichts. Die Abendzeitung hat diese Bilder nicht veröffentlicht. Selbstverständlich nicht. Diese Menschen und ihre Angehörigen werden in aller Würde immer in unseren Herzen sein. Diese schreckliche Nacht endete übrigens für uns und alle Kolleginnen und Kollegen damit, dass wir vom mit Maschinenpistolen bewaffneten SEK aus den Redaktionsräumen gebracht wurden. Als Anja und ich nach Aufhebung der Sperren zurück in den Verlag fuhren, war alles dunkel und still. Als wir die Tür öffneten, wurden wir sofort von zwei Kollegen zu Boden gerissen. „Seid still!“, riefen sie. „In unserem Hof wird geschossen!“ Wir robbten unter die Schreibtische, wo auch die anderen schon Schutz gesucht hatten – nur Michael und Thomas hackten aufrecht in ihre Computer („Die Zeitung muss ja fertig werden!“). Wie sich später herausstellen sollte, hatten sich Jugendliche einen Scherz erlaubt und mit Schreckschusspistolen „Attentat“ gespielt. Diese Nacht steckt mir immer noch in den Knochen. Und sicher nicht nur mir. Patricia Lawrence arbeitet seit 1983 für die AZ, seit 2017 als stellvertretende Verlagsleiterin. Zwei Mitarbeiterinnen der AZ waren in der Nacht des Anschlags amOEZ bei einer Familie, die Angehörige verlor Das Denkmal am Olympia-Einkaufszentrum erinnert an die neun jungen Menschen, die im Juli 2016 ihr Leben verloren haben. Foto: imago 2015 Im September kommen in kürzester Zeit Zehntausende Flüchtlinge an. Und München zeigt sich von seiner besten Seite: Unzählige Menschen heißen die Flüchtenden warmherzig willkommen. Hier begrüßt eine Mitarbeiterin der „Flüchtlingshilfe München“ einen Jungen in einer Sprache, die jeder versteht. Foto: dpa/ Nicolas Armer 2016 Den Abend und die Nacht des 24. Juli werden die meisten Münchner nie vergessen. Der Anschlag am OlympiaEinkaufszentrum versetzt die Stadt erst in Angst, dann in Trauer (siehe Text unten). Foto: dpa/ Karl-Josef Hildenbrand radioarabella.de Liebe Kolleginnen und Kollegen. Wir gratulieren euch zu 75 Jahren herausragendem Journalismus für München! Grafik und Bild: Freepik, PantherMedia 75 Jahre Abendzeitung– Wir gratulieren herzlich zum Jubiläum! B tz.de merkur.de

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