Abendzeitung wird 75 Jahre alt

3 75 JAHRE AZ ABENDZEITUNG FREITAG, 16. JUNI 2023 WWW.AZ-MUENCHEN.DE Wir werden Sie weiter begleiten Wer im Archiv zurückblättert zu den Anfängen unserer Abendzeitung, der taucht ein in eine ganz andere Welt! 75 Jahre, das ist nicht einmal der Zeitraum eines normalen Menschenlebens in diesen Tagen. Aber die Welt damals ist eine ganz andere. Neubeginn nach dem Zweiten Weltkrieg. Auf den Ruinen nicht nur der Häuser, die zerstört sind, sondern auch einer Kultur, die von den Abgründen des Dritten Reichs buchstäblich verschlungen worden war. Adolf Hitler hatte 1933 mit den Seinen in ganz wenigen Wochen alles in den Abgrund gerissen, was in der Weimarer Republik an Leben, an Kultur, an Demokratie noch möglich gewesen war. Die Intellektuellen wurden verhaftet, gefoltert und schon 1933 zu einem Teil getötet. Der Hass auf die Juden in Deutschland wurde sofort ausgelebt, auch wenn die Konzentrationslager, wie wir sie heute noch besichtigen können, erst später erbaut wurden. Und die freie Presse wurde sofort an die Kandare gelegt. In wenigen Wochen war alles zerstört worden, was dieses Deutschland ausgemacht hatte und Hitler nahm das ganze Land mit in seine Höllenfahrt, die am Ende zwölf schlimme Jahre dauern sollte. Und jetzt nach dem Zweiten Weltkrieg der Neubeginn. Aber wo anfangen? Auch in den Köpfen der Menschen? Die Alliierten im Westen demütigten den Kriegsverlierer dieses Mal nicht. Es sollte einen Neubeginn geben mit Deutschland als einem Land, das Demokratie erst noch lernen musste. Und dazu brauchte es freie Zeitungen! In Bayern eröffnet der damalige bayerische Ministerpräsident Hans Ehard zusammen mit dem amerikanischen Militärgouverneur Murray D. van Wagoner die große „Deutsche Presseausstellung“ 1948. Der Münchner Oberbürgermeister Karl Scharnagl ist auch dabei. Und Werner Friedmann, der begleitend zu dieser Ausstellung „Die Tageszeitung“ herausgibt. Noch weiß er nicht, dass aus diesem auf den Zeitraum von wenigen Wochen beschränkten Blatt sich unmittelbar danach die Abendzeitung entwickeln wird. Dass ein paar Jahrzehnte später diese von ihm ins Leben gerufene Zeitung fast 400 000 Exemplar am Tag verkaufen wird. Dass sie ein Mythos sein wird und eines Tages sogar der Kult-Filmemacher Helmut Dietl ein kleines Fernseh-Epos daraus machen wird. Und so schreibt er in seinem Geleitwort des ersten Tages: „Eine Tageszeitung ist unter den heutigen Umständen ein ähnlich kühnes Unterfangen wie eine Presseausstellung…Nach vierzig Ausgaben schließen sich nämlich nicht nur die Pforten der Ausstellung, sondern sind auch die Papiervorräte der ,Tageszeitung’ erschöpft. Der Leser darf sie also, um Sentimentalitäten zu vermeiden, nicht allzu lieb gewinnen…“ Allerdings: Der Leser gewann sie lieb, die Abendzeitung lag schon bald in vielen Häusern und Wohnungen von München auf dem Küchentisch oder im Wohnzimmer. Man muss sich vorstellen: Da gab es kein Fernsehen, kein Internet. Dies war das erste Medium, das 1948 in der amerikanisch-britischen Bizone ins Leben gerufen wurde. Und die Menschen waren hungrig nach Nachrichten! Das Leben pulsiert auf den wenigen Blättern, die die AZ anfangs hat. Noch gibt es kein Deutschland wieder, es gibt kein Grundgesetz und auch noch keine frisch gebackene Demokratie. In der Abendzeitung kann man lesen, dass die Menschen in Bayern ihren König wieder haben wollen – und das nicht nur in der Bayernpartei. Und zu Deutschland wollen sie auch nicht gehören. Bayern soll eigenständig bleiben, das wünscht eine Mehrheit derer, die hier leben. Noch ein Jahr später im Mai 1949 titelt die Abendzeitung: „Kronprinz Rupprecht ist bereit“. „Wenn das bayerische Volk eine Monarchie wünscht, werde ich diesen Wunsch respektieren“, so lautet die Unterzeile des Aufmachers. Wenige Tage später kommt alles anders. Konrad Adenauer wird Kanzler, immerhin Bayern beharrt bekanntlich bis heute auf seinem Sonderstatus, den es in diesem Land tatsächlich immer noch hat. Aber auch sonst tobt das Leben auf den Seiten der Abendzeitung. Bayern München gewinnt seine Spiele schon hoch, auch wenn es die Bundesliga noch nicht gibt. Morde und viele Selbstmorde, die dem Münchner Fön zugeordnet werden, finden sich auf den Seiten – und ein Bild des Tages gibt es, auf dem eine bekannte Münchner Persönlichkeit bei der Arbeit abgebildet wird. Von hier führt der Weg durch die Jahrzehnte bis heute. Die AZ versteht sich als ein Medium, das Interesse hat und Interesse wecken will für das Leben vor allem in der schönen Stadt München. Was ist nicht alles passiert über die Jahrzehnte! Fußballweltmeisterschaften, Olympische Spiele. Oberbürgermeister kommen und gehen. Aber doch ist es interessant, das Schaffen der Lokalpolitiker zu verfolgen. Die vielen gelungenen Bemühungen, aus München diese wunderbare Stadt zu machen, die sie über die Jahrzehnte bis heute geworden ist. Das machen wir heute noch. Jeden Tag sind wir bereit, alles aufzunehmen, was in dieser Stadt an Berichtenswertem geschieht. Im Residenztheater, in den Münchner Kammerspielen, in den Musikhäusern, die es schon gibt oder die noch gebaut werden oder auch nicht. All das ist spannend und muss doch immer noch täglich den Menschen hier erzählt werden. Die Bayern gewinnen noch immer die allermeisten ihrer Spiele und werden dann doch Meister in der Fußball-Bundesliga, die es jetzt seit Jahrzehnten gibt. Und dass es eben keine europäische Super-Liga geben darf auf Kosten unserer Bundesliga hier, auch das steht bei uns geschrieben. Lebensschicksale, die glücklich enden, aber auch tragische. Unglücksfälle in den Bergen gab es vor Jahrzehnten schon, dass jemand vor dem Computer verhungert, weil er das Essen vergessen hat, ist neu und auf jeden Fall eine Meldung wert. Die Welt hat sich verändert. Im Dauersendemodus sind wir alle auf unseren Handys unterwegs. Aber doch: Wenn es zum Frühstück keine Zeitung gäbe, eine ganze Welt wäre verloren. Längst senden auch wir mit unserer AZ-Digital bis spät in der Nacht. Aber unsere Leidenschaft für das gedruckte Wort ist nicht weniger geworden. Und wir wissen: Unsere Leserinnen und Leser warten auf die bedruckten Seiten, die sie immer noch am Kiosk abholen oder vor ihrer Haustüre früh am Morgen finden. Wir wissen auch: Zu einer Demokratie gehört nicht nur das flüchtig hingeworfene Wort im Netz, sondern die politische Diskussion auf bedrucktem Papier. Da wissen wir immer, wer es geschrieben hat – und auch der Politiker überlegt hier länger, was er am Ende sagt und in der Zeitung gelesen wissen will. Das Netz vergisst nicht, aber vieles bleibt dort auch belanglos. Die Zeitung vergisst auch nicht – und wir können immer neu hervorholen, was schwarz auf weiß geschrieben stand oder heute geschrieben steht. Wir feiern Geburtstag! 75 Jahre Abendzeitung in München. In unseren Regalen stehen die Bände für jeden einzelnen Tag. Lebensschicksale, Augenblicke, die wir erinnern oder wir schon nicht mehr erinnern, beides gleich wertvoll. MenschSein, Leben, durch die Stadt laufen und München lieben und genießen, das atmen die Seiten, die die Zeitungsbände aus 75 Jahren füllen. Es ist ein Genuss, in ihnen zu blättern. Wir wollen diesen Bänden noch viele weitere hinzufügen. Wir lieben diese Stadt und haben so große Freude, alles zu beschreiben und zu erzählen, was in ihr geschieht. Deshalb machen wir weiter – und hoffen, liebe Leserinnen und Leser, dass auch Sie uns weiter durch die Jahre begleiten. In diesem Sinn grüßt Sie ganz herzlich Martin Balle AZ-Verleger Martin Balle über 75 Jahre Münchner Abendzeitung, die sich genauso gewandelt hat wie die Stadt – und doch eine Konstante bleibt VON AZ-VERLEGER MARTIN BALLE leserforum@abendzeitung.de Hier gratuliert Hanitzsch Seit die Reporter-Legende Karl Stankiewitz vor rund einem halben Jahr im Alter von 94 Jahren seinen Rückzug vom Journalismus erklärt hat, firmiert der Karikaturist Dieter Hanitzsch (90) als dienstältester Mitarbeiter der Abendzeitung. 1961 hat ihn der damalige Verleger Werner Friedmann von der „Süddeutschen“ zur AZ gelotst. Später führte ihn der Weg zurück zur „SZ“. Seit Juni 2018 zeichnet Dieter Hanitzsch wieder für die Abendzeitung, seine Karikaturen erscheinen jeweils in der Freitagausgabe. Warum er nicht aufhört mit seiner Arbeit? Darauf hat Hanitzsch einmal in einem AZ-Interview gesagt: „Weil ich ein politischer Karikaturist bin, der im Kopf noch halbwegs beieinander ist und Hände hat, die seinen Gedanken folgen. So einer muss zeichnen, sonst hat er seinen Beruf verfehlt.“ Klar, dass Hanitzsch auch zum 75. Geburtstag zum Stift (der bei ihm inzwischen über ein iPad huscht) gegriffen hat – das Ergebnis sehen Sie hier. Vielen Dank für die Glückwünsche! ill ‚‚ Das Leben tobt auf den Seiten der ‘‘ Abendzeitung ‚‚ Wir lieben ‘‘ diese Stadt HERR HIRNBEISS Zeichnung: Fr. Bilek „Fünfasiebzg! Des ghert gscheit gfeiert!“ ZUR JUBILÄUMS-BEILAGE Liebe Leserinnen und Leser, 64 Seiten stark ist die AZ-Beilage zum 75. Jubiläum, liebevoll gestaltet von AZ-Mitarbeiter Dominik Petzold. Vollgepackt mit Erinnerungen unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an besondere Geschichten, Momente und Menschen, die sie mit der AZ erlebt haben. Mal spannend, mal lustig, chaotisch, epochal, urkomisch, überraschend – und immer erzählenswert. Dazu kommen AZ-Erlebnisse von Pfarrer Rainer Maria Schießler, Alt-OB Christian Ude und Schauspielerin Brigitte Hobmeier sowie von AZ-Händlern und AZ-Partnern. Viel Spaß beim Schmökern!

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