Abendzeitung wird 75 Jahre alt

36 75 JAHRE AZ ABENDZEITUNG FREITAG, 16. JUNI 2023 WWW.AZ-MUENCHEN.DE Von Adrian Prechtel Hast du ihn wirklich gesehen? Hast du mit ihr gesprochen? Das hört man oft, wenn man das Privileg hat, die großen Filmfestivals in Cannes und Venedig zu besuchen. Man kann dann meist beide Fragen mit „Ja“ beantworten. Aber das Staunen des Gegenübers wird sofort geringer, wenn man erzählt, dass Pressekonferenzen vor 100 Journalisten stattfinden und selbst bei einem Interview mit einem Superstar oft bis zu fünf Journalistinnen und Journalisten um das Objekt der Begierde sitzen, um hektisch ihre Fragen zu stellen. Aber manchmal gibt es Sternstunden. Mir ist eine vor 15 Jahren nachts passiert – bei der 65. Mostra internazionale d’arte cinematografica. Ich war schon zwei Tage vor Beginn in Venedig angekommen. Und weil mich hierher jedes Jahr einige Freunde begleiten, um Urlaub zu machen, fragte mich einer, auf welche Partys ich denn eingeladen sei, er wolle endlich mal George Clooney erleben. Ich lachte. Aber er ließ nicht locker, nachdem er die Lokalzeitung „Venezia Nuova“ gekauft hatte. In der stand, dass Pitt, Clooney und Angelina Jolie auf einem Gala-Spendendinner erwartet würden zugunsten einer Organisation, der Pitt angehört und die das aus dem Blickfeld geratene afrikanische Flüchtlingselend in Darfur lindern sollte. Und das im Hotel Cipriani, einem der wenigen Orte, die man nur mit Privatoder Hotelboot erreichen kann. Da es ohnehin schon elf Uhr nachts war, schlug ich vor, einfach dort in die Bar des Cipriani zu gehen. Vielleicht hätte Pitt ja einen Babysitter gefunden und Clooney war eh noch solo – und als trinkfest galten beide. Wir schmissen uns also in Smokings – ja, ich habe einen für eventuelle Galas in petto – und fuhren mit dem Vaporetto zur Piazetta beim Markusplatz. Dort gibt es einen kleinen Anlegesteg, den eine Lattentür abriegelt – aber mit Klingel. Wir klingelten, und wirklich kam von Richtung San Giorgio her ein Boot herüber. In unserem Aufzug fragte niemand, ob wir wirklich Hotelgäste des Cipriani seien. Drüben – es sah ein bisschen aus wie eine Hazienda – war alles menschenleer und dunkel. Wir wollten wieder abfahren, aber in einem Nebengebäude war noch Licht. Wir gingen näher, die Bar war ganz gut gefüllt. Ich fragte meinen Freund Thomas, was er trinken wolle und ging zum Tresen, beugte mich leicht vor, bestellte zwei Whiskey Sour und wartete kurz. Der Herr links drehte mir den Rücken zu. Ich schaute ihm über die Schulter – und sah in das Bubi-Gesicht von Brad Pitt. Und mit dem Rücken zu mir: George Clooney, der keine weitere Champagnerflasche orderte, sondern als Connaisseur Italiens einen Franciacorta. Beide hatten ihre Smoking-Jackets ausgezogen, das Hemd tief aufgeknöpft und unterhielten sich. Im Raum hatten sich einige Damen mit Champagnergläsern bewaffnet und schoben sich Glas für Glas näher. Immer wieder sprach eine Clooney an. Und was dann ablief, war das System eines eleganten Durchlauferhitzers: Clooney lacht charmant, spricht kurz und höflich mit der Anwärterin, bezieht dann aber nach ein paar Sätzen wieder geschickt Pitt mit ins Gespräch ein, um dann nur noch mit seinem Freund weiterzusprechen, so dass sich die Dame – ohne jegliche Grobheit – überflüssig vorkommt, wieder aus der Konversation fliegt. Bis nach einiger Zeit mit einer anderen das Spiel von vorne losgeht. Mein Freund Thomas hat Clooney dann auch noch angesprochen und das Gleiche erlebt – aber es sich nicht nehmen lassen, ihn zu animieren, aufs baldige Oktoberfest zu kommen. „Sounds nice“, meinte der. Und auf den Hinweis, dass es dort so voll sei, dass er inkognito feiern könne, lachte Clooney sein großzügiges, joviales Lachen, bezog Pitt in die Frage ein – und: Man perlte ab. Wenn man wissen will, was Charisma bedeutet, ist Clooney ein magisches Beispiel. Denn auch wenn die Anwesenden im Raum in Unterhaltungen sind, wirken alle wie auf ihn ausgerichtet. Das bestätigt sich auch, als Clooney am Tresen den Ort wechselt. Wie Metallspäne, wenn der Magnet weiterrutscht, richtet sich die ganze Umgebung unbewusst neu nach ihm aus. Das ganze Spiel dauerte noch zwei weitere Flaschen lang bis tief in die Nacht. Am nächsten Morgen gab es dann die Pressekonferenz zum Eröffnungsfilm. Da konnte man ganz offiziell die beiden gut gelaunten, verkaterten Freunde wiedersehen. Übrigens: Das Darfur-Charitydinner mit 150 Gästen im Cipriani hatte – damals noch mit Angelina Jolie am Tisch – 1,5 Millionen Euro an Spenden erbracht. Adrian Prechtel (56) ist seit 2001 bei der AZ, seit 2005 stellvertretender Leiter des Kulturressorts. Wie geht es in einem Lokal zu, wenn George Clooney und Brad Pitt amTresen stehen? Unser Filmredakteur findet es in Venedig heraus In Bars mit Stars George Clooney und Brad Pitt bei den Filmfestspielen von Venedig 2008. Hier fand unser Filmredakteur heraus: Die beiden sehen nicht nur lässig aus, sondern sind es auch. Die Bilder entstanden an dem Morgen nach der Nacht, in der die beiden in der Bar des Hotels Cipriani versumpft sind. Copyright: imago/Granata Images Hey Brad, ist dort nicht der charmante Münchner, der uns gestern Nacht aufs Oktoberfest eingeladen hat? Wir kommen auf jeden Fall! 1980 München ist eine Stadt der Künste. Trotzdem passiert es selten, dass zwei Jahrhundertfiguren aufeinandertreffen wie im Mai 1980. Da kann die Galerie von Bernd Klüser und Jörg Schellmann in der Maximilianstraße mit Joseph Beuys (l.) und Andy Warhol aufwarten. Im Hintergrund einBild des einen, das der andere erschaffen hat. Foto: imago/ Heinz Gebhardt 1981 München ist auch Stadt der Musik. Und die Bandbreite ist groß, reicht von Klassik bis Schlager. Worüber Leonard Bernstein (l.) und Rex Gildo wohl auf dem Filmball im Mathäser sprechen? Geht es um Beethoven oder um „Fiesta Mexicana“? Foto: imago / Bernd Lindenthaler

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