19 75 JAHRE AZ ABENDZEITUNG FREITAG, 16. JUNI 2023 WWW.AZ-MUENCHEN.DE Sorry, Benjamin Blümchen Von Natalie Kettinger Haben Sie sich schon mal von Ihren Freundinnen verabschiedet, weil Sie gleich ein Date mit einem Superstar haben? Ich schon – und die Verabredung hatte jegliches Potenzial dazu, komplett schief zu gehen. Es war 2004, ich junge Redakteurin im Vermischten, und Alice Cooper sollte bald auf dem Tollwood spielen. Cooper ist dieser amerikanische „SchockRocker“, der sich auf der Bühne bisweilen mit Blut übergossen hat und gerne mit Schlangen, Säbeln oder sonstigem GruselZeug auftritt. Die Älteren dürften sich an Songs wie „School’s Out“ oder „Poison“ erinnern. Nun gut, irgendwer hatte uns ein Interview mit diesem Bad Guy des Rock ‘n’ Roll angeboten – um 20 Uhr deutscher Zeit. Und damit begannen die Probleme. Meine Tochter war damals drei Jahre alt, ich alleinerziehend – und konnte deshalb unmöglich in der Redaktion bleiben. Doch in diesem Fall war die Lösung schnell gefunden: Cooper würde mich zu Hause anrufen. Auf dem Festnetz-Apparat. Fein. Also Töchterchen aus dem Kindergarten geholt, kurz Freundinnen getroffen, ein bisschen angegeben („Ich muss los, mich ruft gleich Alice Cooper an“), heim und die Kleine zeitig ins Bett gebracht. Läuft. Zumindest dachte ich das. Bis mir aufgefallen ist, dass ich vor lauter Aufregung sowohl mein Aufnahmegerät als auch sämtliche Leerkassetten (die man zu dieser Zeit durchaus noch benutzte) in der Redaktion vergessen hatte. So ein Mist! Und nur noch 15 Minuten bis 20 Uhr. Was also tun? Improvisieren und hoffen, dass es funktioniert: Meine Tochter hatte damals einen feuerroten KinderKassettenrekorder mit Aufnahme-Funktion – immerhin ein Anfang. Und irgendwo hatte ich gehört, dass man Kassetten überspielen kann, wenn man die Löcher auf der Rückseite mit Tesafilm überklebt. Insofern: sorry, Benjamin Blümchen. Um Punkt 20 Uhr klingelte dann das Telefon in Steinebach am Wörthsee. „Good evening, this is Alice Cooper speaking.“ Ein sehr höflicher, freundlicher Mann, dieser „Schock-Rocker“, muss ich sagen. Allerdings konnte ich mich aufgrund der Zweifel an meiner fragwürdigen technischen Ausstattung kaum auf das Gespräch konzentrieren. Ich weiß noch, dass wir über Kinder gesprochen haben, über Golf und über Bibelstunden. Aber auf Benjamin Blümchen und den Kinder-Kassettenrekorder war Verlass. Sie hatten das Interview tatsächlich aufgezeichnet. Es erschien am 21. Juni 2004 in der AZ. Natalie Kettinger (48) ist seit 1998 bei der AZ und leitet seit 2017 das Politik-Ressort. Warum man als Journalist besser zwei Mal nachsieht, ob man das Aufnahmegerät auch wirklich dabei hat „Schock-Rocker“ Alice Cooper – und ein vergleichbarer Kinder-Kassettenrekorder. Foto: imago 1958 Klar, Schimpanse und Mensch stimmen genetisch zu rund 99 Prozent überein. Trotzdem, lieber Tierpfleger in Hellabrunn: Das hier wird wohl eher nichts. Foto: imago 1959 Meine Herren, bitte noch einmal ums Eck gehen. Dort oben, rechts neben der „Bravo“, hängt die Zeitung, nach der Sie suchen. Foto: imago/ Rolf Poss
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